Arminius – der Cherusker

 

Kleiner Auszug aus der Dissertation „Der Römisch-Germanische Krieg 9-16 n. Chr.“ von Ralf G. Jahn, Bonn 2001, S. 78-104.

Arminius     Lebensdaten     Name     Familie     Die Darstellung des Arminius in den Quellen     Lebenslauf bis zur Varusschlacht     Die Ziele des Arminius     Die Wege zur Verwirklichung des Zieles     Zur Romkritik des Arminius     Rekonstruktion des Lebenslaufes des Arminius     Endnoten    
   

Zum Inhaltsverzeichnis
 

Arminius

Arminius war der Oberbefehlshaber der germanischen Koalitionsarmee gegen Rom in den Jahren 9-16 n. Chr. Er hatte erst dieses Militärbündnis geschmiedet, führte es während der ganzen Zeit gegen die Römer an und bestimmte Strategie und Taktik. Bevor wir zu den eigentlichen Kampfhandlungen kommen, lohnt sich eine Beschäftigung mit der Person des Arminius und seinem Schicksal.

Zum Inhaltsverzeichnis
 

Lebensdaten

Arminius wurde entweder im Jahre 18 oder 16 v. Chr. geboren. Dies ergibt sich aus Tac. ann. II 88,2-3: dolo propinquorum cecidit...septem et trigentia annos vitae, duodecim potentiae explevit. Seine überragende Stellung (potentia) bei den Cheruskern und auch bei den verbündeten Stämmen begann spätestens mit der Varusschlacht 9 n. Chr. 12 Jahre nach Erringung seiner Machtstellung ist er im Alter von 37 Jahren durch die Hinterlist einiger Verwandter ermordet worden [1] . Daraus folgt, daß er zum Zeitpunkt des Erlangens der potentia 25 Jahre alt war. Danach wäre Arminius um das Jahr 16 v. Chr. (genauer 17/16, denn die Varusschlacht fand im Herbst statt) geboren und 21 n. Chr. gestorben. Sein Tod wird in den Annalen des Tacitus aber für das Jahr 19 n. Chr. gemeldet [2] . In diesem Falle wäre er im Jahre 18 v. Chr. (exakter zwischen dem Spätherbst 19 und dem Spätherbst 18 v. Chr.) geboren, hätte die potentia 7 n. Chr. erlangt und wäre 19 n. Chr. ermordet worden. Wenn letzteres zuträfe, könnte das nur Arminius´ Stellung innerhalb des Cheruskerstammes meinen, etwa die potentielle Nachfolge in der Stellung seines Vaters, der 7 n. Chr. gestorben sein könnte. Voraussetzung ist immer, daß Arminius seine potentia ohne Unterbrechung ausgeübt hatte.

Die Datierung des Beginnes seiner potentia vor seinem Sieg über Varus ist eher unwahrscheinlich [3] . Wahrscheinlicher ist die Deutung, die Arminius´ Herrschaft im Jahre 9 n. Chr. beginnen läßt. In dem Fall würde zwar das Angebot des Chattenfürsten Adgandestrius, Arminius zu vergiften [4] , in das Jahr 19 gehören, Arminius´ Ermordung aber erst in das Jahr 21. Die Erklärung dafür, daß Tacitus den Tod des Arminius unter dem Jahre 19 anführt, wird wohl daran liegen, daß der Arminius- Gegenspieler Germanicus am 10. Oktober 19 n. Chr. in Syrien gestorben ist [5] . Tacitus verläßt hier also das streng annalistische Prinzip und greift voraus, um den Tod des Arminius [6] dem seines Gegners Germanicus [7] gegenüberstellen zu können. Tacitus hatte so einen wirkungsvolleren Abschluß des zweiten Buches seiner Annalen erreicht. Die Lebensdaten des Arminius lauten demzufolge wahrscheinlich 17/16 v.- 21 n. Chr.

Zum Inhaltsverzeichnis
 

Name

Es ist bis heute nicht entschieden, ob „Arminius“ als cognomen (etwa der „Armenische“) oder als nomen gentile (des römischen Geschlechtes der Arminier) zu gelten hätte. Auch herrscht keine einheitliche Meinung, ob Arminius (oder Armenius) ein lateinischer Name oder ein germanischer Name in latinisierter Form gewesen ist. Es bestehen ferner zwei weitere Hypothesen: Einmal wollen Germanisten in Arminius einen germanischen Namen in lateinischer Gestalt sehen (wie got. Ermana-ricus oder thür. Hermina-fridus). Oder aber Arminius gehört zu den Rufnamen auf -inius, welche in der römischen Kaiserzeit besonders in den Rheinlanden häufig verbreitet waren [8] . Diese stammen aber erst aus dem 2.-4. Jahrhundert n. Chr.

Seit A. GIESEBRECHT (1837) ist in der Forschung wiederholt die Identität Arminius und Siegfrieds angenommen worden, so z. B. von BICKEL [9] und besonders intensiv von HÖFLER [10] , mit starker Zustimmung der altgermanistischen Forschung [11] . Es existieren zwar einige Elemente der Siegfried-Sage, die an den historischen Arminius erinnern, auch waren bei der stirps regia der Cherusker Namen mit anlautenden Segi/Sigi- beliebt. Doch kann dies alles reiner Zufall sein; es gibt außer wenigen Gemeinsamkeiten zu viele Unterschiede. Auch ist die Siegfried-Sage in ihrer ältesten Version etliche Jahrhunderte jünger als Arminius. Namensähnlichkeiten, die in der Philologie zu aufgebauscht werden, sind mit die beweisschwächsten Indizien, ja oft nur reine Spekulationen. Wichtig ist für den Althistoriker, daß er auf keinen Fall mit Hilfe der Siegfried-Sage unbekannte Details des historischen Arminius rekonstruieren kann.

Falls Arminius sein Bürgerrecht durch Augustus (bzw. in seinem Namen) verliehen bekommen hatte, lautete sein Name wahrscheinlich: C. Iulius Arminius [12] . Es besteht aber auch die Möglichkeit, daß er ihn durch einen einflußreichen römischen Gönner (etwa durch Adoption) erhalten hatte. Sein cognomen Arminius ist vermutlich eine Latinisierung seines germanischen Namens, der in römischen Ohren so ähnlich geklungen haben mag [13] . Alles weitere wäre Spekulation.

Zum Inhaltsverzeichnis
 

Familie

Arminius entstammte der stirps regia der Cherusker [14] . Sein Vater hieß Segimer [15] . Einer von Arminius´ Brüdern hieß Flavus [16] . Arminius war verheiratet mit Thusnelda, deren Vater Segestes gegen die Verbindung war [17] .

Flavus [18] , der Bruder des Arminius hat in einer (vermutlich germanischen) [19] Auxiliareinheit gedient, das römische Bürgerrecht besessen, erhielt stipendia, sogar die dona militaria  und wurde wahrscheinlich mit der corona civica ausgezeichnet. Tac. ann. II 9, 1 charakterisiert ihn aufgrund seiner Auszeichnungen als einen Mann im Centurionenrang. [20] Nach TIMPE [21] war Flavus ein Mann, der anscheinend durch seine Abkunft aus dem Stammesadel privilegiert bereits vor einer Bewährung im Militärdienst und ohne ein individuelles Verdienst das römische Bürgerrecht erhalten hatte, dann in eine Auxiliareinheit eingetreten und sowohl als potentielle Führungskraft wie dank persönlicher Tüchtigkeit rasch befördert worden ist. Er muß das unerschütterliche Vertrauen der römischen Führung besessen haben, da er trotz des „Verrats“ seines Bruders als Offizier im römischen Heer verblieb.

Sein Auge muß Flavus nach dem Jahre 9 n. Chr. verloren haben, [22] da Arminius ihn seitdem nicht mehr gesehen hatte, wohl in den Kämpfen der Jahre 10 und 11 n. Chr. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt. Im Jahre 47 war er tot, denn sein Sohn Italicus wird zu diesem Jahr als einziger lebender Angehöriger der stirps regia bezeichnet [23] . Mit dieser verschwand um 90 n. Chr. auch der Traditionskern und damit zugleich die spezielle Stammesidentität. Nach dem Tod des Chariomer gab es keinen eigenen Stamm der Cherusker mehr, wenn auch noch biologische Nachkommen dieser einstigen Völkerschaft existierten.

Zum Inhaltsverzeichnis
 

Die Darstellung des Arminius in den Quellen

Für die Darstellung des Arminius in den Quellen ist zu beachten, daß germanische Quellen nicht existieren, sondern nur römische, das heißt Quellen aus dem ihm feindlich gesonnenen Römischen Reich.

Die Charakterisierung des Arminius durch seinen Zeitgenossen Velleius [24] erweist sich nach den Worten von Chr. ZRZASKA-RICHTER als eine Ansammlung von Selbstverständlichkeiten [25] , d.h. im Nachhinein wird der Charakter des Arminius aus seiner Laufbahn und seinen Taten erschlossen. Wäre er nicht adeliger Abstammung, hätten die Römer ihm nicht eine so gute Ausbildung angedeihen lassen. Dann wäre er wiederum nicht römischer Ritter geworden. Um dux zu werden, benötigte er grundsätzlich zwei Voraussetzungen: a) adelige Abstammung, b) persönliche Verdienste. Ohne eine schnelle Auffassungsgabe hätte Arminius die Schwäche des Varus nicht erkennen und für die Schlacht ausnutzen können [26] . Bei Velleius ist der Hauptschuldige für die Katastrophe nicht eigentlich Arminius, sondern Varus (besonders wegen seiner Unachtsamkeit). Arminius selbst ist bei Velleius weniger ein historischer Sonderfall, sondern ein typischer, wenn auch besonders verschlagener und erfolgreicher Verräter. Der intelligente Häuptlingssohn, ein begabter Barbar, konnte nur dank des grandiosen Versagens des Varus zu einem großen, erfolgreichen Verbrecher werden, und hatte sich auch nach den Germanicus-Feldzügen als geschickter militärischer Führer erwiesen [27] .

„Wie weit die Möglichkeit der Unterrichtung über Arminius in der letzten augusteischen und zu Beginn der tiberianischen Zeit reichte (und was etwa offiziell verschwiegen wurde), seit welcher Zeit Historiker diesen Stoff wahrheitsgetreu behandeln konnten und welche Quellen ihnen dabei zur Verfügung standen, das ist alles leider überhaupt nicht klar“ [28] .

Der Tiberius-Feind Tacitus [29] macht im Gegensatz zum Tiberius-Anhänger Velleius Arminius für den Untergang der Legionen verantwortlich [30] . In seinem berühmten Urteil über den Cherusker heißt es: liberator haud dubie [31] Germaniae et qui non primordia populi Romani, sicut alii reges ducesque, sed florentissimum imperium lacessierit, proeliis ambiguus, bello non victus [32] . Für Tacitus ist Arminius der Befreier Germaniens und einer der großen historischen Widersacher Roms [33] . Ungeachtet anderer berechtigter Gesichtspunkte (z. B. die „Besessenheit“ des begabten Barbaren) kam es Tacitus vor allem auf die geschichtliche Wirkung an, die von Arminius ausgegangen war [34] . Arminius hatte mit einer einzigen Aktion eine Entscheidung herbeigeführt, die dann nie mehr umgestoßen werden konnte (auch nicht durch die Feldzüge des Germanicus). Als Tacitus die Annalen schrieb, war die Eroberung des rechtsrheinischen Germanien endgültig nicht mehr das Ziel römischer Politik.

Arminius wird bei Tacitus bewußt als Barbar stilisiert:

-     durch die Schilderung seiner Reaktion auf die Gefangennahme seiner Frau [35] . In der Antike war die Verbindung zwischen ira und brevis insania weit verbreitet [36] , so daß hier die Verbindung des Zornesausbruches mit Wahnsinn nicht der Wirklichkeit zu entsprechen braucht [37] ,

-     durch das gehässige Verhalten des Arminius, als er den kriegsverletzten Flavus verspottete [38] ,

-     durch das drohende Verhalten des Arminius nach Beendigung seines Streitgespräches mit Flavus [39] ,

-     durch den Vergleich mit den Germanen Segestes, Flavus und Maroboduus, deren Motive als ehrenhaft, vernünftig und sympathisch dargestellt werden [40] . Dies hängt wohl damit zusammen, daß diese zumindest zeitweise eine romfreundliche Position vertraten [41] .

Auch als Lügner stellt Tacitus den Cheruskerfürsten hin:

-     obwohl in Rom bekannt war, daß dieser den Varus in einen Hinterhalt gelockt hatte, läßt Tacitus den Arminius sagen, er habe die Römer in ehrlichem Kampf besiegt [42] .

Diese Negativ-Charakterisierungen dürfen aber nicht überbewertet werden, da die Geschehnisse in der Literatur nicht wörtlich überliefert wurden! Was Arminius wirklich in den angesprochenen Situationen konkret gesagt oder getan hat, entzieht sich unserer Kenntnis und war selbst Tacitus unbekannt. 

Aber auch die Darstellung als Barbar schmälert nicht die historische Bedeutung!

Von der Sicht des Tacitus findet sich bei Cassius Dio keine Spur mehr, sondern er hält sich an die ältere Vorlage, in welcher die Persönlichkeit des Arminius nur eine untergeordnete Rolle spielt und in der dem Hintergrund des Aufstandes keine besondere Bedeutung beigemessen wird. Wichtig war nur die Tatsache, daß die Germanen unter der Führung eines Landsmannes die römische Herrschaft abgeschüttelt hatten.

Zum Inhaltsverzeichnis
 

Lebenslauf bis zur Varusschlacht

Die Grundlage aller Aussagen der Biographie des Arminius vor dem Jahre 9 sind folgende beiden Quellenaussagen:

1.   Arminius war im Besitz des römischen Bürgerrechtes und gehörte dem ordo equester [43] an:...iuvenis [44] ..., nomine Arminius,...assiduus militiae nostrae prioris comes, iure etiam civitatis Romanae (in der Abschrift AMERBACHs: Romae) [45] decus eqestris consecutus gradus. [46] .

2.   Er war ductor popularium [47] und hatte als solcher in der römischen Armee die lateinische Sprache erlernt: nam pleraque Latino sermone interiaciebat, ut qui Romanis in castris ductor popularium meruisset [48] .

Mehr ist nicht sicher zu ermitteln, alles andere sind nur mehr oder weniger gute Hypothesen.

TIMPE hat in seinen Arminius-Studien, 27-30, die Diskussion über die Tätigkeit und die Stellung des Arminius bis zur unmittelbaren Vorbereitung der Varusschlacht zusammengefaßt. Er schließt dort mit dem resignierenden Fazit, „daß die...Deutung von militia prior ziemlich unwahrscheinlich ist..., aber kaum als sicher falsch erwiesen werden kann, während die objektive unbedenklich und näherliegend scheint; der Ausdruck weist dann aber eher auf den pannonischen als auf den germanischen Krieg des Tiberius. Im übrigen scheint die Redeweise des Velleius nicht so präzise zu sein, daß analytischer Scharfsinn der einen oder anderen Partei hier ein geeignetes Revier fände. Um über dieses Ergebnis hinauszugelangen, bedarf es anderer Argumente“ [49] .

Die Textstelle adsiduus militiae nostrae prioris comes ist besonders umstritten [50] .

Allgemein wird sie so interpretiert [51] , daß Arminius spätestens beim Abschluß des foedus 4 n. Chr. [52] in römische Dienste trat und bis zum Jahre 6 n. Chr. unter Tiberius als Kriegskamerad des Velleius Paterculus ein Volksaufgebot von germanischen Stämmen, welches als irreguläre Hilfstruppe dem römischen Heer beigeordnet wurde, befehligte [53] . Dieser Heerhaufen, der natürlich nicht mit regulären Auxiliartruppen verwechselt werden darf, kämpfte als nationale Truppe unter nationalem Befehl in oder in der Nähe der Heimat. Während des Pannonischen Aufstandes (6-9 n. Chr.) hätte Arminius sich dann in Germanien aufgehalten, von Sentius Saturninus und Quinctilius Varus als Vertrauensperson geschätzt.

Ernst HOHL bezog nostrae auf Velleius Paterculus selbst (pluralis modestiae), deutete militiae als „militärische Laufbahn“  und bezog  prior auf den früheren Teil des cursus honorum des Velleius, auf seine Karriere als Ritter (vor 6 n. Chr.)  „Der Ausdruck adsiduus militiae nostrae prioris comes ist nur sinnvoll, wenn die beiden jungen Offiziere, der kampanische Rittersohn und der cheruskische Fürstensproß, ihr Patent um dieselbe Zeit erhalten haben, mit anderen Worten, wenn ihre Lebenswege vom Jahr 1 v. Chr. bis zum Jahr 6 n. Chr. parallel verlaufen sind“ [54] . Der rekonstruierte Lebenslauf des Arminius hätte nach der zu Recht umstrittenen Hypothese von E. HOHL so begonnen:

19 v. Chr.

Geburt,

8 v. Chr.

vermutlich als Geisel Besuch der Fürstenschule auf dem Palatin in Rom [55] ,

um 1 v. Chr.

Eintritt in die römische Armee als Tribun,

1-4 n. Chr.

Teilnahme am Orientfeldzug des C. Caesar, wobei er sich den Namen „der Armenier“ (Armenius) erwarb (bzw. sein Name so umgedeutet wurde), anschließend praefectus equitum [56]   im Stab des Tiberius [57] .

Mit dieser extrem spekulativen Interpretation steht Hohl fast allein.

Dieter TIMPE kann sich nach einem umfassenden Quellenstudium unter Vergleich mit der Situation der Bataverpraefecten 69/70 „Arminius als einen Offizier im Ritterrang vorstellen, gewiß nicht als einen Mann, der die typische militia equestris des ritterbürtigen Italikers durchmachte, aber als einen einheimischen princeps civitatis, der als Kommandeur zum Ritterrang gelangte...Wie andere Sprößlinge des Stammesadels kann Arminius zu Beginn seiner Laufbahn das Bürgerrecht schon besessen oder damals bekommen haben, dank dieser günstigen Voraussetzung für eine Führerstellung in einer Auxiliareinheit prädestiniert gewesen und deshalb, als er sich bewährte, verhältnismäßig rasch zum Praefecten einer solchen Hilfstruppe und zum Ritter aufgestigen sein...Danach  sind der ductor popularium und der Ritter in der Weise zu verbinden, daß Arminius Praefect einer Einheit war, die zwar aus Cheruskern bestand, aber kein irreguläres Aufgebot für die Dauer eines Feldzuges war; die andererseits zwar als von einem Offizier geführte Hilfstruppe anzusprechen ist, aber nicht als reguläre römische Einheit betrachtet werden muß“ [58] .

Schließlich stellt TIMPE die Hypothese auf, Arminius habe „als Praefect einer cheruskischen Auxiliartruppe am Pannonischen Krieg unter Tiberius teilgenommen. In dieser Eigenschaft war er demnach ductor popularium und als solcher comes nostrae prioris militiae. Der Ritterrang folgte schwerlich aus seiner Praefectenstellung, sondern wird in besonderen Verdiensten begründet sein (insofern ist Arminius tatsächlich eine „Ausnahme“, wie Velleius auch bestätigt [59] , wenn er Varus die außergewöhnlichen merita des Cheruskers betonen läßt), aber er läßt sich umgekehrt nicht ohne militärische Position denken. Arminius mag sich damals...ausgezeichnet haben, der Feldherr selbst wird ihn gekannt haben, so gut wie Velleius eine lebendige Anschauung von ihm besaß“ [60] .

Die Quellen erwähnen die Heimkehr des Praefecten Arminius nicht und bezeugen weder seine Entlassung aus der Armee noch seine weitere Verwendung. Alle weiteren Überlegungen über seine Tätigkeit vor der Varusschlacht sind reine Spekulation [61] .

Nach Horst CALLIES befehligte Arminius als praefectus jene cheruskischen populares, von denen auch Tac. ann. II 10,3 spricht. Diese Einheit war eine den regulären Auxiliareinheiten stark angenäherte Truppe. Der Ritterrang des Arminius ergab sich aus der Stellung seiner Truppen. Er könnte in den Jahren 1-4 n. Chr. einer Adelsgruppe angehört haben, die, nachdem sie außer Landes gehen mußte, mit Hilfe der Römer wieder zurückkehrte [62] . Eine grundsätzlich antirömische Haltung ist bei Arminius jedenfalls nicht erkennbar [63] ! Er gehörte zu der Adelsgruppe, auf die sich die römische Herrschaft seit dem Jahre 4 n. Chr. im Cheruskergebiet stützte [64] . Arminius mußte von der Tätigkeit und Würde im römischen Dienst geprägt worden sein [65] . CALLIES nimmt einen Einsatz des cheruskischen Kontingents im Pannonischen Krieg 6-9 n. Chr. an. Weiter vermutet er, daß Arminius nach Beendigung des Pannonischen Feldzuges nicht aus dem Militärdienst entlassen, sondern mit anderen Aufgaben im denselben Rang betraut wurde, d. h. er war unmittelbar vor der Varusschlacht praefectus in Germanien. Dabei befehligte er Cheruskereinheiten, d. h. Einheiten, die sich aus einheimischen Cheruskern rekrutierten und die für länger im römischen Dienst stehen sollten sowie eine römische Ausbildung erhielten. So war Arminius in der Lage, Varus zu militärischen Aktionen zu bewegen und sogar bestimmte Routen anzuregen. Somit war es jenem möglich, die Aufstandsvorbereitungen unauffällig vorzunehmen. Der Umstand, daß Arminius nach Ausweis der Quellen sich mit anderen cheruskischen Adeligen besprach [66] , spricht gegen eine einfache Meuterei oder Revolte. Bei der Varusschlacht kam es zu einem gezielten und geplanten Angriff, der mit der Vernichtung des Feindes endete. Dies entspricht nicht der Definition des Begriffes „Meuterei“ (Nichtbefolgen von Befehlen). Arminius begann nach CALLIES seine Aktion aus innenpolitischen Gründen [67] . Das Ergebnis mußte sein, daß der Anführer dieses Unternehmens seine Stellung im Stamm erheblich stärkte und seine Gegner unter den Cheruskern dadurch zurückgedrängt wurden [68] .

Ute SCHILLINGER-HÄFELE deutet die militia nostra prior als „den von Varus geführten Zug der römischen Legionen in den Teutoburger Wald bis zum Augenblick des germanischen Überfalls“ [69] . Die einzige Information, die sie der Quelle entnimmt, ist, daß Arminius zur Amtszeit des Varus sein Tischgenosse (comes) war. Damit bleibt sie weit hinter TIMPE zurück, dessen Theorie damals schon 13 Jahre alt war. Zwar hatte sie damit recht, daß die Worte prioris nostrae militiae comes über die Tätigkeit und die Stellung des Arminius nichts genaues aussagen, aber die bemerkenswerten soziologischen Argumente von Timpe, die mit der Untersuchung von Parallelfällen neue Erkenntnisse gewinnen konnten, einfach beiseite zu schieben, reicht nicht und wird auch der Bedeutung von prior nicht gerecht.

Für Wolfgang WILL erscheint es im Rahmen der sozialen Gegebenheiten und in Übereinstimmung mit den vorliegenden Quellen als plausibel, „Arminius habe - setzt man die populares bei Tacitus mit Stammesgenossen gleich - nach kurzer Tätigkeit als Führer einer cheruskischen caterva tumultuaria und Verleihung des römischen Bürgerrechts in regulären auxilia Kriegsdienst geleistet. Aufgrund besonderer Verdienste innerhalb der auxilia oder auch bereits seiner früheren Stellung im Cheruskeraufgebot wäre er dann zum Ritter aufgestiegen, als Praefect einer nicht näher bekannten Hilfstruppe mit Tiberius nach Pannonien gekommen und schließlich nach der Niederschlagung des Aufstandes, d. h. wohl nach der Schlacht am Bathinus-Fluß (3. August 8 n. Chr.- der Verfasser), in seine Heimat zurückgekehrt“ [70] .

B. PATZEK vertritt in Anlehnung an ethnologische Beobachtungen die These, daß ein Teil der Germanen durch die Begegnung mit den Römern innerlich verunsichert worden sei. Durch die römische Erziehung der germanischen Adelssöhne seien römische Begriffe des politischen und ethnologischen  Bereichs in die germanische Gedankenwelt eingeflossen. Arminius und seine Kollegen seien nun in der Lage gewesen, die Verunsicherung in Worte zu fassen, die römische Kultur abzulehnen, eine Gegenakkulturation zu formulieren und ihr eine politische Dimension zu verleihen. Die Wirkung, die er bei den Germanen erzielte, läßt sich demzufolge mit einem latent vorhandenen Unbehagen gegenüber der römischen Kultur erklären, welches Arminius beim Namen nennen konnte [71] .

Alexander DEMANDT [72] betrachtet die Geschichte des Arminius als ein Instrument zum Verständnis von Staatenbildung. Der Stamm der Cherusker war eine Lebens- und Rechtsgemeinschaft mit einer schwach entwickelten Staatlichkeit, aber gleichwohl zu gemeinsamem Handeln in der Lage, wie es Kriege [73] und Bündnisse [74] bezeugen. Die politische und sakrale Führung lag im Frieden beim princeps civitatis, dem angesehensten Fürsten [75] . Um aus diesem Staatsoberhaupt einen Rex zu machen, fehlt nur noch die militärische Führung, das imperium. Mit dem Königtum ist eher eine Würde als eine Aufgabe verbunden. A. DEMANDT lehnt die These von R. WENSKUS [76] ab, unter der stirps regia des Arminius ein urtümliches, verlorenes Königtum aus der Zeit der Stammesbildung zu verstehen, welches dieser wiederherzustellen beabsichtigte. Mit stirps regia wäre vielmehr gemeint, daß Arminius und seine gens an Nobilität seine Stammes- und Standesgenossen weit überragt hatten. Arminius dürfe der Historiker im taciteischen Sinne als dux ansprechen. Gegen Germanicus standen dann mehrere duces der Cherusker im Felde, von denen Arminius und Inguiomer namentlich bekannt sind [77] . Arminius bezweckte seinen  vorübergehenden ducatus in ein lebenslanges regnum zu verwandeln (Parallele zu Ariovist). Nach DEMANDT läßt sich das Streben des Arminius nach der Königswürde „einordnen in die Serie der frühgermanischen Heerkönigtümer. Diese bilden ein Zwischenglied zwischen der lockeren Lebensgemeinschaft des aristokratisch regierten Stammes und dem fester gefügten Königtum der Völkerwanderungszeit“ [78] . Das Problem des Königtums war immer der Adel, dessen Opposition von Rom oft geschürt wurde; erst die militärische Kräfteverschiebung in der späten Kaiserzeit bot dem germanischem Stammeskönigtum eine dauerhafte Chance.

Die Diskussion ist noch nicht abgeschlossen, ein allgemein überzeugendes Ergebnis steht noch aus. Der Verfasser ist aber der Überzeugung, daß den Quellen mehr zu entnehmen ist als bisher geschehen. Dies soll im Folgenden gezeigt werden.

Zum Inhaltsverzeichnis
 

Die Ziele des Arminius

Arminius stammte aus einer stirps regia. [79] Seine Haupttriebfeder war –nicht ungewöhnlich- persönlicher Ehrgeiz. Es zählte zu den Maximen der römischen Politik, diejenigen oligarchischen Kräfte zu stützen, die eine Wiederherstellung des Königtums zu verhindern suchten. Arminius wurde von seinen Verwandten getötet, weil er nach der Königsherrschaft strebte [80] .

Er hatte nicht die ursprüngliche Herrschaftsform über die Cherusker erneuern, sondern ein auf dem siegreichen Heer vieler Volksstämme gegründetes Großkönigtum erlangen wollen. Nicht eine erfolgreiche Verteidigung, die Abwehr der Römer in der Varusschlacht und den langen, daran anschließenden Kämpfen, sondern der in einem Angriffskrieg erfochtene Sieg des Arminius gegen den Markomannenkönig Maroboduus war das Zeichen, daß der Cherusker als dux, Heerführer, ein König werden wollte und daher zu beseitigen sei. Arminius hatte eine gentile Konföderation gegen Maroboduus geführt, der seinerseits von Cheruskern unter dem Arminius-Onkel Inguiomer unterstützt wurde.

Der dux ex virtute, „Heerführer aus Tüchtigkeit“, mußte sich seinen Aufstieg zum Königtum einer siegreichen Heereskoalition, bestehend aus abenteuerlustigen Jungkriegern, erkämpfen. Dieser jüngere Königstyp wurde vom Heer, d.h. von Völkern auf der Wanderschaft, wegen eines entscheidenden Sieges unter Gewinnung neuen Landes „genommen“. Eine heroische Leistung, eine primordiale Tat, aus der eine bestimmte Gruppe ihre Identität ableitete, hatte die Eignung des Heerführers zum König erwiesen [81] .

Arminius genoß die Protektion von einflußreichen Römern, deren Ziel es war, einen treuen Vasallen in Germanien zu bekommen, und absolvierte für einen Germanen eine ungewöhnlich erfolgreiche Karriere. Er brachte es bis zum Ritter, d. h. er besaß ein Ritterpferd, und zum Tischgenossen des römischen Statthalters. 

Arminius hatte eine römische Militärausbildung erfahren [82] und dabei einen Begriff von Staatlichkeit erlebt, welcher unvereinbar mit der germanischen Mentalität war. Er beabsichtigte zweifellos, ein eigenes regnum zu begründen [83] . Rom hat zwar Könige an den Grenzen gefördert, wenn sie sich in die römische Klientel fügten, hat auch öfters solche Satellitenfürsten eingesetzt [84] . Allerdings wurden solche „Klientelkönige“ (für Germanien ein höchst problematischer Begriff!) von ihrem Stammesadel und Nachbarn bekämpft. Konnten sich jene aber gegen diese durchsetzen und wurden zu stark, haben die Römer die Adelsopposition geschürt oder sogar direkt eingegriffen, d.h. militärisch interveniert [85] . Für die Einrichtung von Klientelkönigreichen in Germanien fehlte dort der Grad der Staatlichkeit. Rom oder die Germanen hätten erst Staaten schaffen müssen, in denen die Klientelkönige hätten regieren können. Diese gab es -abgesehen vom souveränen Reich des Maroboduus - in Germanien nicht. Sogenannte Klientel-Randstaaten  haben in diesem Raum aufgrund der Instabilität dieser Gemeinwesen nicht existiert. Es ist daher unwahrscheinlich, daß sich Arminius den Römern als Klientelkönig angeboten hat und daß deren Ablehnung ihn zu seinem Losgehen bewogen haben. Jedenfalls verband Arminius seine königlichen Ambitionen von Anfang an mit einer anti-römischen Politik.

Arminius gebot als dux consensu gentis in der Varusschlacht über einen gemischten Verband mit Kriegern aus mindestens elf Stämmen [86] . Auch römische Soldaten versuchte er auf seine Seite zu ziehen [87] . Durch die Lösung der germanischen Krieger aus ihrem alten Stammeswesen verstärkten sich die Bindungen der einzelnen Kämpfer zum neuen Gefolgsherren, während ethnische Traditionen gelockert wurden. Damit gewann der Heeresverband des Arminius an politischer Handlungsfähigkeit, womit eine wesentliche Voraussetzung für den Gewinn an Staatlichkeit gewonnen war. Die Herrschaft des Arminius entsprang aus einer kriegerischen Aktion, einem Verteidigungskrieg unter seiner Leitung. In der Sicht des Velleius Paterculus (II 105,1) wurde Arminius mox nostra clade nobilis. Nur durch eine identitätsstiftende Tat, durch einen Sieg über die Römer mit dauerhafter Wirkung konnte Arminius sein Ziel erreichen, es seiner Sippe zeigen, eventuell mit Maroboduus nachziehen [88] und supragentiler Heerkönig, ja sogar „Imperator“ (Tac. ann. II 10,1; II 45,2) werden. In Tac. ann. II 10,1 ruft Arminius seinem Bruder Flavus zu: ne propinquorum et adfinium, denique gentis suae desertor et proditor quam imperator esse mallet.  Daß Arminius seine eigene Stellung nicht schlechter angesehen hat, als die zu welcher er Flavus überreden wollte, ist anzunehmen. Tac. ann. II 45,2 handelt von der Feldschlacht nach römischem Muster zwischen Arminius und Maroboduus: Germanos...dicta imperatorum accipere. Alle gängigen Übersetzungen verwenden an diesen beiden Stellen die Termini „Feldherr“ [89] , „Führer“ [90] , „Anführer“ [91] oder „Heerführer“ [92] , als ob hier „dux“ stehen würde. Sind diese Begriffe wirklich austauschbar?

Ist der Begriff „imperator“ auf Arminius anwendbar? Arminius ist Oberbefehlshaber eines Heeres aus mehreren germanischen Stämmen, die hinsichtlich ihrer Quantität und Qualität der Streitmacht des Germanicus ebenbürtig ist. Germanicus ist als Inhaber des imperium proconsulare seit 17.09.14 n. Chr. eindeutig imperator. Früher bedeutete imperator einen Feldherrntitel, der durch Ausrufung vom Heer verliehen wurde; er unterstrich den militärischen Führungsanspruch. Zur Zeit des Augustus und Tiberius konnte imperator bedeuten: [93]

-     Vorname des Princeps (praenomen imperatoris);

-     Inhaber des imperium proconsulare;

-     Ehrentitel bei der Akklamation.

Der Titel „imperator“ wurde schnell auf den Kaiser und seinen designierten Nachfolger eingeschränkt; nach dem Jahre 22 n. Chr. gab es keinen römischen Imperator mehr, der nicht der kaiserlichen Familie angehörte. Seit Vespasian ist „imperator“ fester Bestandteil der Kaisertitulatur. Bei den klassischen Juristen bezeichnete „imperator“ und nicht „princeps“ oder „Augustus“ den Kaiser schlechthin. „Imperator“ lautete das allgemeingebräuchliche (nichttitulare) Wort für „Kaiser“. Dies gilt erst recht auch für die Zeit des Tacitus. Dieser  war sich der exklusiven Bedeutung des Begriffes „imperator“ bewußt! Warum er in Tac. ann. II 10,1 und II 45,2 ausdrücklich die Bezeichnung „imperator“ und nicht „dux“ (wie in Tac. Germ. 7,1) verwendet, hat seinen Grund. „Imperator“ ist hier folglich nicht als Synonym für „dux“ anzusehen!

Arminius strebte wahrscheinlich eine ähnliche Machtstellung an, wie sie Maroboduus in Böhmen besessen hatte. Dessen Reich bezeichnet Velleius als „imperium [94] , Tacitus als „regnum [95] . Auch an einer anderen Stelle ordnet Tacitus Arminius in die Kategorie „rex“ und „dux“ ein. In Tac. ann. II 88,2 heißt es denn: liberator haud dubie Germaniae sicut alii reges et ducesque. Aber in Tac. ann. II 45,2 bezeichnet Tacitus sowohl Maroboduus als auch Arminius als „Imperator“. Die Textstelle lautet: quippe longa adversum nos militia insueverant sequi signa, subsidiis firmari, dicta imperatorum accipere. Liegt hier ein Widerspruch vor? Nicht, wenn man zu folgendem Ergebnis kommt: Tacitus sieht Arminius als „rex“ und „dux“, er selber sich als „imperator“. Kannte Arminius die römische Begriffswelt? Er war teilromanisiert, denn er war Angehöriger des römischen Ritterstandes und beherrschte die lateinische Sprache. Arminius und seine Offiziere hatten während ihres Militärdienstes bei den Römern römische Staatlichkeit und Organisationskraft kennengelernt. Dabei mag eine Rolle gespielt haben, daß zur Zeit des Augustus Legionen und Hilfstruppen im Gegensatz zu später noch in gemeinsamen Lagern untergebracht wurden [96] .

Wenn Arminius „imperator“ werden wollte, dann mußte es auch ein „imperium“, d. h. eine funktionsfähige Staatlichkeit mit entsprechenden Organisationsformen geben; jederzeit zu einem erfolgreichen Abwehrkampf gegen Rom in der Lage.

Dennoch dürfen die Begriffe imperium und rex nicht überinterpretiert werden, denn die germanischen Begriffe sind nicht bekannt, ebensowenig die geheimen Absichten des Arminius!

Ob die „Germanen“, die sich nicht als solche empfanden, diese Politik so mitgemacht hätten, ist zweifelhaft. Daher mußte Arminius seine eigentlichen Pläne auch vor diesen verbergen, konnte nur langsam Schritt für Schritt vorgehen, wurde schließlich trotz aller Vorsicht -als sein Streben nach einer Königsherrschaft offenbar wurde- ermordet. Er wollte auf der Grundlage seines Erfolges seine Macht (imperium = militärische Befehlsgewalt) dauerhaft machen (regia = staatliche Befehlsgewalt, wenn der Krieg um ist) [97] , dies scheiterte an innerer Oppositon. Arminius war nicht charismatisch und politisch erfolgreich genug, um rex zu werden und sich dauerhaft zu behaupten. Warum scheiterte Arminius im Vergleich zu Maroboduus? Dieser besaß eine Königsburg als regelrechtes Zentrum und verfügte über ein stehendes Heer (finanziert durch Beute und Abgaben).

Als monarchischer Herrscher wollte Arminius eine dynastische Legitimität begründen! Dazu war er zum Erfolg verpflichtet.

Zum Inhaltsverzeichnis
 

Die Wege zur Verwirklichung des Zieles

Als wichtigstes Mittel zur Verwirklichung dieses Zieles diente ihm eine Rebellion der germanischen Auxiliartruppen, die dann erfolgreich sein würde, wenn sich ein Großteil der Völkerschaften anschlösse. Verfassungsmäßig würde dies bedeuten, daß Arminius monarchische Gewalt auf Zeit (als dux) erhielte, die ihm Exekutivgewalt gegenüber gentilen Konkurrenten in und außerhalb seines Stammes verlieh. Seinen Rivalen blieb dann nur die Entscheidung für die römische Partei, was sie geradewegs zum Bruch des consensus gentis zwingen würde [98] .

Das geschulte Heer des Arminius kämpfte nicht in dem typisch germanischen Draufgängertum. Dies zeigt sich besonders in der Schlacht gegen Maroboduus [99] . Dennoch kamen Rückfälle vor (wie z.B. in der Schlacht an den pontes longi). Mit dem Ende der äußeren Bedrohung erlosch die monarchische Gewalt des Arminius; wollte er wirklich König oder gar Imperator auf Dauer werden, mußte er Maroboduus bezwingen.

Als der wachsende Anhang des erfolgreichen Arminius das Gleichgewicht unter den principes zu stören drohte, wandten sich sein Schwiegervater Segestes [100] und sein Vatersbruder Inguiomer mit seiner beträchtlichen Gefolgschaft [101] gegen ihn. Die im Jahre 14 n. Chr. ausgeschaltete Adelsopposition [102] , die latent innerhalb von Arminius´ Sippe fortbestand [103] , erstarkte wieder. Seinen gesamten Stamm dauerhaft hinter sich zu bringen, hat Arminius nicht geschafft. Aber dafür gelang ihm trotz des Abfalls seines Onkels Inguiomerus der Sieg über Maroboduus in offener Feldschlacht nach römischem Vorbild [104] . Eine Aufgabe, für die Tiberius im Jahre 6 n. Chr. noch 12 Legionen aufgeboten hatte. [105]

Wahrscheinlich im Jahre 21 n. Chr. wurde Arminius – regnum adfectans (Tac. ann. II 88)- von seinen Verwandten, möglicherweise sogar unter Mitwirkung des chattischen Schwiegervaters seines Bruders Flavus, ermordet. [106]

Zum Inhaltsverzeichnis
 

Zur Romkritik des Arminius

Die Romkritik des Arminius wird nur von Tacitus überliefert. Inwieweit sie tatsächlich authentisch ist, kann heute nicht mehr geklärt werden.

Tacitus urteilt -aus römischer Sicht- über die moralische Position des Arminius: „insignis perfidia in nos...turbator Germaniae“ [107] . Sein Schwiegervater Segestes, der im Gegensatz zu jenem auch nach 9 n. Chr. eine romfreundliche Politik vertrat, begründete seine Position so: „neque odio patriae...verum quia Romanis Germanisque idem conducere et pacem quam belum probabam“ [108] . Arminius: „Germanos numquam satis excusaturos, quod inter Albim et Rhenum virgas et secures et togam viderint. Aliis gentibus ignorantia imperii Romani inexperta esse supplicia, nescia tributa...Si patriam parentes antiqua mallent quam dominos et colonias novas, Arminium potius gloriae ac libertatis quam Segestem flagitiosae servitutis ducem sequeretur“ [109] . Arminius beruft sich nach Tacitus also auf Vaterland, Ahnen und Tradition, auf Ruhm und Freiheit, während sein Schwiegervater fremden Herren diene und die Germanen in eine schändliche Knechtschaft, welche sich durch „Hinrichtungen“ (supplicia) und „Tribute“ (tributa) auszeichnet, führen wolle.

Eine wichtige Stelle für die Argumentation des Arminius ist das Streitgespräch mit seinem Bruder Flavus an der Weser im Jahre 16 n. Chr. [110] : „Ille fas patriae, libertatem avitam, penetrales Germaniae deos, matrem precum sociam; ne propinquorum et adfinium, denique gentis suae desertor et proditor quam imperator esse malet [111] . Arminius vertrat seiner Meinung nach das heilige Recht des Vaterlandes (fas patriae), die altüberkommende Freiheit und die germanischen Götter. Er wolle kein Verräter an seinen Verwandten und Verschwägerten, ein Deserteur seines Volkes werden, sondern dessen imperator (Feldherr) bleiben.

In der Ansprache an die Cherusker vor der Schlacht bei Idistaviso wiederholte Arminius seine Romkritik: „Meminissent modo avaritiae crudelitatis superbiae: aliud sibi reliquum quam tenere libertatem aut mori, ante servitium?“ [112] . Die Motive der Römer waren demnach avaritia, crudelitas, superbia. „Lieber Tod als Sklave!“ könnte die Parole des Cheruskerfürsten geheißen haben [113] . Rationale (individuelles Machstreben) und emotionale Motive (Freiheit und Unabhängigkeit seines Volkes) verbanden sich bei Arminius zu einem erfolgreichen Gemisch. Dies kennt auch Tacitus an, wenn er schreibt: „liberator haud dubie Germaniae“ [114] . - Das Motiv für die Entscheidung des Arminius war die „Ehre“. [115]

Zum Inhaltsverzeichnis
 

Rekonstruktion des Lebenslaufes des Arminius

Zwischen dem September 17 v. Chr. und dem September 16 v. Chr. wurde Arminius als Sohn des princeps (civitatis) Sigimer, eines Angehörigen der stirps regia der Cherusker, d. h. des Traditionskerns des Stammes, geboren. Einen Cheruskerkönig gab es nicht, die Angehörigen der „königlichen Familie“ bildeten die Nobilität des Stammes. Ihre Angehörigen achteten darauf, daß keiner aus ihrer Reihe sich zum König emporschwang. Die Rivalität, ja Feindschaft innerhalb der Königssippe ist an den unterschiedlichen politischen Entscheidungen zu erkennen, die die Haltung des einzelnen gegenüber den Römern, Chatten und dem Suebenbund unter dem Markomannenkönig Maroboduus bestimmte. So waren die erbittersten Gegner der königlichen Ambitionen des Arminius seine Verwandten, die ihn schließlich auch ermordeten. Erst als nur noch ein einziger der Familie am Leben war, Arminius´ Neffe Italicus, konnte dieser im Jahre 47 n. Chr. König werden [116] .

Arminius erlernte die lateinische Sprache, erhielt das römische Bürgerrecht und schließlich den Rang eines römischen Ritters [117] , ehrenhalber oder schon am Beginn einer frühen regulären Laufbahn (z. T. parallel zu der des nur wenige Jahre älteren Velleius Paterculus).

„Felddienst“ leistete Arminius schwerpunktmäßig in Germanien, wo er sich zum Zeitpunkt des Aufstandes 9 n. Chr. auch aufhielt. In die Jahre 4-6 n. Chr. gehört die Textstelle „assiduus militiae nostrae prioris comes [118]

Wann er in die römische Armee eintrat, ist nicht überliefert. Die Auswertung römischer Soldatengrabsteine und sonstiger Inschriften ergab, daß das Einstellungsalter zwischen 13 und 36 Jahren schwankte; die Masse trat zwischen dem 18. und dem 26. Jahr in die Armee ein, das Durchschnittsalter bei der Rekrutierung betrug 20,6 Jahre [119] . Dieses Alter erreichte Arminius um das Jahr 4 n. Chr., im demselben Jahr, als Tiberius alle abgefallenen germanischen Stämme erneut unterwarf, einschließlich der Cherusker [120] .  Vor diesem Jahr ist m.E. eine Aufstellung stehender und von römischen Ausbildern und Offizieren (z. T. germanischer Herkunft) angeführten germanischen Auxiliareinheiten im Gebiet rechts des Rheines nicht anzunehmen [121] .

Wahrscheinlich war Arminius an der Niederwerfung des Pannonischen Aufstandes beteiligt. Dort lernte er die Taktik des „zerstreuten Gefechtes“ [122] kennen und welche Schwierigkeiten diese den Römern bereitete. Seine Stellung bezeichnet Tacitus als „ductor popularium [123] . Vermutlich hat Arminius sowohl als praefectus in einer regulären Auxiliareinheit als auch (nicht zeitgleich) als Anführer seiner mit Rom verbündeten Landsleute [124] gedient [125] . Für einen Germanen, der außerhalb des Römischen Reiches geboren wurde, hatte er ohne jeden Zweifel eine beachtliche Karriere gemacht. Mit der Verleihung der Ritterwürde hatten ihn die Römer sowohl unter den Barbarenfürsten wie unter den Angehörigen der cheruskischen Königssippe eindeutig hervorgehoben [126] . Aus der Zeit vor Civilis (69/70 n. Chr.) sind nahezu keine derartigen Laufbahnen bekannt. Lediglich für das Jahr 10 v. Chr. berichtet Livius, daß sich auf dem Feldzug des Drusus zwei Tribunen [127] aus dem Stamm der Nervier [128] , Chumstinctus und Avectius, ausgezeichnet hatten [129] . Arminius könnte als Offizier im Ritterstande den Rang eines tribunus angusticlavius bekleidet haben. Er könnte auch nacheinander als praefectus und tribunus bei unterschiedlichen Einheiten gedient haben [130] . Da die tres militiae erst unter Claudius üblich wurden, muß der Historiker es bei diesen Vermutungen bewenden lassen.

Nach Niederschlagung des Pannonischen Aufstandes [131] kehrte Arminius in seine germanische Heimat zurück. Ob und in welcher Funktion er dann in römischen Diensten stand, geht aus den Quellen nicht direkt hervor. Wahrscheinlich diente er als regulärer Befehlshaber von cheruskischen Stammeskontingenten in der römischen Rheinarmee [132] . Als Tischgenosse des Varus besaß er eine geachtete Stellung [133] , auch die Anzeige des Segestes konnte das römische Vertrauen in ihn nicht erschüttern. Viel weiter aufsteigen konnte er aber nicht mehr!

Vor und nach dem Aufstand sind bei den Germanen wechselnde pro- und antirömische Positionen und bei den Cheruskern interne Machtkämpfe, jedoch keine geschlossene „nationale Freiheitspartei“ feststellbar. Das römisch-germanische Verhältnis war auf keinen Fall durch beständige Konflikte gekennzeichnet, und erst recht bestand eine solche Situation nicht zwischen Rom auf der einen und einem einheitlichen Germanien auf der anderen Seite. „Charakteristisch sind vielmehr Wechsel der Parteinahme, eine – wenn auch langsame und unterschiedlich intensive- politische, soziale und kulturelle Durchdringung der einzelnen Stammesverbände und das Fehlen eines grundlegenden politischen Gegensatzes“ [134] .

Arminius mußte sich in seiner zerstrittenen Sippe durchsetzen, wollte er bei den Cheruskern und benachbarten Stämmen Erfolg haben. Nach den Worten von Velleius Paterculus (II 105,1) wurde Arminius „mox nostra clade nobilis“, was nur ungenau mit „bekannt“ oder „berühmt“ wiedergegeben wird. Das in nobilis angelegte Bekanntsein hat eine politische Dimension. Aus diesem Grund konnte Arminius sein Ziel nur durch eine unvorstellbare Tat erreichen, durch einen Sieg über die Römer mit dauerhafter Wirkung. So konnte er seine Verwandten überflügeln, womöglich mit Maroboduus gleichziehen und supragentiler Heerkönig werden. Als wichtigstes Werkzeug dazu diente ihm die Rebellion der germanischen Auxiliartruppen, die dann Erfolg haben würde, wenn sich ein Großteil der Völkerschaften anschlösse. Verfassungsgemäß würde dies bedeuten, daß Arminius monarchische Gewalt auf Zeit erhielte, die ihm Zwangsgewalt gegenüber gentilen Konkurrenten inner- wie selbst außerhalb seines Stammes verlieh. Diesen blieb dann bloß die Alternative, weiterhin auf die römische Karte zu setzen, was sie zwangsläufig zum Bruch des consensus gentis zwingen würde [135] . Arminius´ Ziel war wahrscheinlich die unbestrittene Vorherrschaft in seinem Stamm und dem davon abhängigen Stammesbund sowie die Errichtung des Königtums in Konkurrenz zu Maroboduus [136] . Das theoretisch mögliche Bündnis mit Maroboduus nach der Varusschlacht war für Arminius nicht notwendig und spielte bei seiner Planung bestenfalls eine untergeordnete Rolle. Die Übersendung des Varuskopfes an Maroboduus demonstrierte m.E. in erster Linie die Schwäche der Römer und die Stärke der Arminius-Koalition.

Arminius kannte die römische Sichtweise über Germanien und dessen Bewohner. Er interessierte sich über alles hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Rom und den Germanen. Arminius kannte im Gegensatz zu seinen „barbarischen“ Landsleuten den römischen „Germanen“-Begriff. Arminius fühlte germanisch und dachte römisch bei gleichzeitiger Ablehnung des politischen Führungsanspruches Roms, den er besonders deutlich wahrnahm. Die Zurücksetzung der Germanen und ihrer Hilfstruppen als Heer zweiter Klasse hat er stark gespürt [137] .

Ein soziologischer Vergleich des Arminius mit dem „Reichsgermanen“ Civilis oder mit Ariovist, dem König eines Landnahmeheeres, hinkt! Ariovist war im Verhältnis zu Arminius ein kleiner Stammesführer, dem der römische Germanenbegriff noch fremd war und der in traditionellen Stammeskategorien dachte. Der „Reichsgermane“ Civilis gehörte einem seit mehreren Generationen an Rom eng angelehnten Staat an und hatte eine ordentliche Ritterkarriere durchlaufen, die es so zur Zeit des Arminius noch nicht gab.

Arminius hingegen, ein Anführer einer Stammeskoalition in der Heimat (also keines Landnahmeheeres) mit der Absicht, einen Staat (regnum) zu errichten, war im Gegensatz zu fast allen seiner Landsleute in seiner Denkweise zu sehr Römer geworden, um nur noch Cherusker (und sei es „rex“ dieses Stammes) sein zu können!  Arminius besaß eine direktes römisches Vorbild (Rom) und ein indirektes (Maroboduus, der ebenfalls von den Römern gelernt hatte) [138] . Im Unterschied zu diesem hatte jener aber nie seinen ganzen Stamm (Basis) hinter sich. Der Bau eines Hauses gestaltet sich aber ohne Fundament als schwierig! Arminius war Römer und Germane zugleich, ein „Wanderer zwischen den Welten“, in beiden Kulturkreisen zuhause. Er war bewußtseinsmäßig der erste richtige (Nur-) Germane, nicht nur Cherusker!

Die Pläne des Arminius selbst sind nicht direkt überliefert worden, der Historiker kennt nur deren Auswirkungen und Interpretationen. Offensichtlich gehörten dazu:

-          die Zusammenfassung der Germanen auch über die Dauer des Abwehrkampfes hinaus,

-          die Schaffung eines neuen Gemeinschaftsgefühls bei der Arminius-Koalition durch eine primordiale Tat (Sieg über Rom),

-          die Entwicklung der Germanen von einer Anti-Rom-Koalition zur „Nation“ [139] (Heervolk) unter dem „imperator“ Arminius.

Den Germanen hatte er diese Pläne nur teilweise mitgeteilt, da er bei den freiheitsliebenden Gefolgschaftsherren mit einer inneren Opposition rechnen mußte. Nicht jeder Germane hätte die Pläne des Arminius unterschrieben! Daher durfte dieser jene nicht zu deutlich aussprechen! Geheimhaltung beherrschte er, wie den Aufstandsvorbereitungen des Jahres 9 n. Chr. zu entnehmen ist. Arminius brauchte aufgrund der germanischen Widerstände viel Zeit und konnte bei größter Geheimhaltung seiner eigentlichen Pläne diese nur allmählich und schrittweise verfolgen. 

Arminius kommandierte als ritterlicher Offizier einen mit Rom verbündeten germanischen Auxiliarverband [140] , der zum Teil römisch geschult war. Diese Einheit bildete wahrscheinlich den Kern der germanischen Aufstandsarmee. Bemerkenswert ist in jeder Hinsicht die gewaltige Steigerung der Kampfkraft zwischen dem „gewaltigen Krieg“ (1-4/5 n. Chr.) und der Varusschlacht 9 n. Chr. Während es den rechtsrheinischen Germanen als größten Erfolg gegen die Römer vorher lediglich gelang, einer einzelnen Legion eine schimpfliche Niederlage beizubringen (clades Lolliana 16 v. Chr.), wurden nun drei Legionen restlos vernichtet! [141]

Als „Aufrührer Germaniens“ besiegte Arminius im Spätherbst 9 n. Chr. den Varus, und kommandierte seit diesem Zeitpunkt als „dux“ eine germanische Koalitionsarmee. Sein Einfluß beruhte nicht nur auf der „Kriegspartei“ bei den Cheruskern, sondern auch auf Bündnissen mit gleichgesinnten principes anderer Stämme [142] , darunter mit dem Chattenfürsten Actumerus [143] . Die Herrschaft des Arminius währte 12 Jahre (duodecim potentiae explevit) [144] . Er hat die Römer mit deren eigenen Mitteln (Verrat, List, Studie der römischen Kampfweise, richtiges Einschätzen des römischen politischen Handelns sowohl von Germanicus als auch von Tiberius) geschlagen. Im Jahre 16 n. Chr. bietet er seinem Bruder Flavus die Stelle eines „Imperators“ an [145] . Arminius´ Rang wird natürlich höher gewesen sein. Nach dem Abzug der Römer 16 n. Chr. vertrieb er 17 n. Chr. seinen Rivalen Maroboduus. Beide werden in diesem Zusammenhang von Tacitus als „Imperatoren“ bezeichnet [146] . Arminius´ Streben nach der Königsherrschaft wird seitdem offenbar [147] . Zwei Tatsachen wirkten sich dabei für Arminius negativ aus: Einmal fehlten zur Errichtung einer Königsherrschaft nach dem Wegfallen der äußeren Gefahr (Abzug der Römer, Vertreibung des Maroboduus) die Voraussetzungen dazu, zum anderen bestand die 14/15 n. Chr. ausgeschaltete Adelsopposition innerhalb der Sippschaft des Arminus fort [148] .

Anscheinend strebte Arminius eine ähnliche Machtstellung an wie Maroboduus, dessen Reich als „imperium“ und „regnum“ bezeichnet wird. Dazu mußte Arminius in Nordwestdeutschland erst eine Form von Staatlichkeit und Festigkeit schaffen, die es in diesem Raum bis dahin noch nicht gegeben hatte. Hier kommt der römische Teil seiner Persönlichkeit zum Vorschein, die die römische Staatlichkeit und Organisationskraft selbst erfahren hatte. Arminius hat erkannt, daß die Germanen Staatlichkeit nur von Rom lernen konnten, frei nach dem Motto „Von den Römern lernen, heißt siegen lernen!“ Seine Truppen legten schon im Jahre 9 n. Chr. bei Kalkriese eine Rasensodenmauer nach römischem Vorbild an [149] . Auch Artillerie setzten die Germanen ein [150] . Sie fochten gegen Maroboduus eine Feldschlacht nach römischem Muster, gegen die Römer wandten sie diese Taktik natürlich nicht an, da sie auf diesem Sektor im Vergleich zu diesen „Meistern“ immer noch „Lehrlinge“ waren.

Die Gestalt seines zu schaffenden regnum war vornehmlich römisch beeinflußt, der Inhalt unzweifelhaft germanisch. Unter Berücksichtigung germanischer Gegebenheiten wird der römische Einfluß primär auf dem Militärsektor, weniger auf dem Gebiet der Administration zu suchen sein. Ähnlich wie bei Maroboduus war das Ziel des Arminius ein nach römischem Vorbild aufgebauter Staat (regnum), mit ihm als Monarchen an der Spitze. Dieser Wunsch wurde erst nach der Vertreibung des Maroboduus offenbar. Die Bezeichnung „römisches Reich germanischer Nation“ für das geplante Staatswesen des Arminius erscheint übertrieben, weist aber in die richtige Richtung. Dieses Gebilde war ansatzweise im Werden begriffen, spätestens aber mit dem Tode des Arminius ausgeträumt. Die freiwillige Unterordnung des unabhängigen, individuellen und selbstbewußten Stammesadels, der nicht umsonst sich gegen Rom erhoben hatte, unter einer einheitlichen Führung über das Erreichen des allgemeinen Ziels (Abzug der Römer) hinaus, war von vorneherein fast unmöglich. Auch fehlte den Germanen das Bewußtsein, das zur Bildung einer politischen Gemeinschaft nötig ist.

Im cheruskischen Bürgerkrieg Anfang 15 n. Chr. gelang Arminius die Ausschaltung der romfreundlichen und friedensbereiten Gruppe. An dem Beispiel der Schlacht an den Pontes longi sieht der Historiker, daß Arminius und sein Onkel Ingiuomerus gleichrangige Positionen einnahmen und daß jeder von ihnen nur mit Unterstützung anderer Großer seinen Willen durchzusetzen vermochte. Durch die Abwehr der Römer und die erfolglose Kriegführung seines Konkurrenten Inguomer hatte Arminius stark an Bedeutung gewonnen; er muß nun eine Art monarchischer Gewalt auf Zeit ausgeübt haben [151] .

Arminius, nach GUNDEL der erfolgreichste Vertreter des zerstreuten Gefechts [152] , hat in seinen Kämpfen gegen Germanicus bei Idistaviso, am Angrivarierwall und in den Kämpfen gegen Caecina immer wieder die topographischen Möglichkeiten Germaniens (Wald, Berg und Sumpf) ausgeschöpft. Wenn ihm nicht ein plötzlicher Überfall in einem für die Römer ungünstigen Gelände gelang oder der Feind anderswie behindert war, griff er nur die Hilfstruppen der Römer an [153] . Er wußte auch, daß ein römisches Lager nicht ohne weiteres zu nehmen war [154] . Arminius besaß entscheidende Fähigkeiten des militärischen Anführers: er beurteilte die militärische Lage realistisch und konnte zum Kampf begeistern. Er schonte sich selbst nicht und war im Kampf, auch nach einer Verwundung, seinen Mitkämpfern ein Vorbild. Nach den Quellen benutzte Arminius auch Lüge, Verrat, Schlauheit, Intoleranz gegen Fremdes, vielleicht auch Grausamkeit als Mittel für sein Ziel [155] . Es sind in seiner Bündnispolitik zwei Stufen zu erkennen: zunächst ein militärischer Kampfbund gegen Rom, später der Aufbau einer machtpolitischen Hegemonie [156] . In den Jahren 15 und 16 n. Chr. war die Lähmung und Schwächung der feindlichen Streitkräfte, gegebenenfalls auch ihre Vernichtung, die Aufgabe der Strategie des Arminius. Dabei waren Manöver und zerstreute Gefechte die geeigneten Mittel, den strategischen Plan durchzuführen [157] . Arminius machte es Germanicus durch viele Einzeloperationen unmöglich, sein Kriegsziel zu erreichen [158] .

Der geographische Bereich der Kämpfe des Arminius reicht von der Weser bis ungefähr an die heutige deutsch-niederländische Grenze südwestlich von Rheine (gegen Caecina im Jahre 15 n. Chr.), bis Aliso an der Lippe (9 n. Chr.) und bis an den Südrand der Münsterländer Bucht (Marser) [159] .

Wollte Arminius wirklich König werden, mußte er Maroboduus besiegen. Arminius griff daher im Jahre 17  den Markomannenkönig an der Spitze einer germanischen Koalition an und rückte die Elbe aufwärts gegen Böhmen vor. Es handelte sich dabei nicht um einen Stammeskrieg, da in der entscheidenden Schlacht sogar der Vaterbruder des Arminius, der noch 15 n. Chr. tapfer, wenn auch taktisch unklug gegen die Römer gekämpft hatte, auf seiten des Markomannenkönigs focht. Trotzdem siegte Arminius. Maroboduus verlor Schlacht, später auch Königtum und Heimat. Seine Niederlage vertiefte die Gegensätze innerhalb der cheruskischen Königssippe, wobei die Arminiusgegner – nicht zuletzt mit chattischer Unterstützung- ein offenkundig unmittelbar bevorstehendes Königtum ihres Verwandten mit allen Mitteln zu verhindern suchten. Schließlich hatten sie Erfolg: Vor Vollendung seines Werkes ist der Arminius 21 n. Chr. im Alter von 37 Jahren von seinen Verwandten ermordet worden. Danach zerfiel seine Allianz. Es dienten in der Folgezeit kaum noch rechtsgermanische Hilfstruppenoffiziere bei den Römern. Germanien blieb sich selbst überlassen. Der römische Geisteseinfluß bei der germanischen Führungsschicht ging zurück!

Zum Inhaltsverzeichnis
 

Endnoten



[1] Tac. ann. II 88,2.

[2] Tac. ann. II 88,2.

[3] H. v. PETRIKOVITS, BJb 166 (1966) 176; D. TIMPE, Arminius-Studien 25.

[4] Tac. ann. II 88,1.

[5] Tac. ann. II 72-73.

[6] Tac. ann. II 88,2.

[7] Tac. ann. II 72,2.

[8] Das Namensproblem diskutiert ausführlich O. HÖFLER in: Siegfried, Arminius und die Symbolik, Heidelberg 1961, 22-25.

[9] E. BICKEL, RhMus 98 (1955) 223ff.; ders., Arminiusbiographie und Sagensiegfried, Bonn 1949.

[10] O. HÖFLER, Siegfried, Arminius und die Symbolik, Heidelberg 1961, 22-25 (dort auch weitere Literaturangaben). Er ist davon überzeugt, daß sich in der späteren germanischen Epik die Ereignisse um Arminius wiederfinden und daß sich im germanischen Sagengut die Erinnerung an die Frühphase römisch-germanischer Begegnungen erhalten habe. Diese These vermag aber nicht das Problem der langen Zwischenzeit zwischen den Ereignissen um 9 n. Chr. und der sagenhaften Fassung der germanischen Epik nicht zu klären.

[11] Z. B. J. DE VRIES, Heldenlieder und Heldensage, 1961, 269f.

[12] D. TIMPE, Arminius-Studien 16; E. HÜBNER, Über den Namen Arminius: Hermes 10 (1876) 393ff.; E. HOHL, Neues von Arminius, Antike, alte Sprachen und deutsche Bildung, 1943, 49ff.; so auch der Titel des Romans von A. BREHM, Frankfurt/M. 1994.

Als römischer Bürger und Ritter hat Arminius sicher die tria nomina geführt. Diesen Rang und das entsprechende nomen gentile wird er als Prinz eines mit Rom formell verbündeten Stammes sicher vom Princeps bzw. seinem bevollmächtigten Abgesandten, nicht aber von irgendeinem unbedeutendem  Durchschnittsbürger empfangen haben.

[13] D. TIMPE, Arminius-Studien 17.

[14] Tac. ann. XI 16; vgl. I 15; XII 421ff.

[15] Vell. II 88.

[16] Tac. ann. II 9.

[17] Tac. ann. I 55.58; Strab. VII 1,4 p. 292 C.

[18] Tac. ann. II 9,1-3; II 10,1f.; XI 16,1.3; XI 17,2.

[19] G. ALFÖLDY, Hilfstruppen 90.

[20] Über den Centurionenrang und die dazugehörigen Rangzeichen: M. P. SPEIDEL, Rangzeichen für Zenturionen und die große Weihinschrift aus dem Mainzer Legionslager: RGZM 33 (1986) 321ff. Vgl. V. A. MAXFIELD, The Military Decorations of the Roman Army, Berkeley/Los Angeles 1981; Y. LE BOHEC, Dona militaria: DNP 3 (1997) 767-769. 

[21] D. TIMPE, Arminius-Studien 42f.

[22] Tac. ann. II 9: amisso occulo paucis ante armis duce Tiberio. In den Jahren 10-12 n. Chr. war Tiberius imperator proconsulare maius an der Rheinfront (s.u.).

[23] Vgl. Tac. ann. XI 16,1.

[24] Vell. II 118,2: tum iuvenis genere nobilis, manu fortis, sensu celer, ultra babarum promptus ingenio, nomine Arminius, Sigimeri principis gentis eius filius, ardorem animi vultu oculisque praeferens, adsiduus militiae nostrae prioris comes, iure etiam civitatis Romanae decus equestris consecutus gradus, segnitia ducis in occasionem sceleris usus est, haud imprudenter speculatus neminem celerius opprimi, quam qui nihil timeret, et frequentissimum initium esse calamitatis securitatem.

[25] Chr. TRZASKA-RICHTER 168.

[26] Chr. TRZASKA-RICHTER, 169.

[27] D. TIMPE, Arminius-Studien 128.

[28] D. TIMPE, Arminius-Studien 127.

[29] Zur Problematik „Tacitus und die Germanen“ s. folgenden Aufsatz: G. A. LEHMANN, Tacitus und die römischen Kriege in Germanien: Überlegungen zur Quellenbenutzung und zum Aktualitätsbezug der taciteischen Historiographie. Dieser soll erscheinen in: R. WIEGELS (Hrsg.), Rom, Germanien und die Ausgrabungen von Kalkriese. - Akten des Internationalen Kongresses vom 02.09. bis 05.09.1996 an der Universität Osnabrück, Bramsche/Osnabrück 1999 (Schriftenreihe Kulturregion Osnabrück des Landschaftsverbandes Osnabrücker Land e. V.).

[30] Tac. ann. I 55,1f.: nam spes incesserat dissidere hostem in Arminium ac Segestem, insignem utrumque perfidia in nos aut fide.

[31] „Ohne Zweifel“ - folglich muß es auch andere Auffassungen gegeben haben (s.u.).

[32] Tac. ann. II 88,2. Der „Verräter“ Arminius war seit der Varusschlacht ein ernstzunehmender Feind geworden, dessen Verhalten zunächst noch, solange er sich mit Germanicus zu schlagen hatte, der arrogantia und superbia gleichzuachten war. Der Gesamterfolg des ganzen Krieges steht für Arminius außer Zweifel, nachdem in der Tat die Römer -wenn auch nicht „verjagt“, wie Arminius sich rühmt, so doch „abgezogen“ waren, wie Tacitus selbt einräumt. Mit dem Verzicht auf Germanien versagte sich Tiberius der -in den Augen des Tacitus- unabdingbaren Verpflichtung, palam et armatum hostes suos ulcisi (Tac. ann. II 88,1). Die Geschichte der Beziehungen Roms zu den germanischen Stämmen hat in den Augen des Tacitus den Beweis dafür erbracht, daß Arminius tatsächlich das Prädikat eines liberator verdient; denn er hat die Eingliederung der Germania provincia in den Reichsverband der Römer nicht nur verhindert, er hat Germanien vielmehr von der römischen Herrschaft „befreit“, und Rom hat es versäumt, die ehemalige Fast-Provinz zurückzuerobern, die Scharte der Varus-Niederlage auszuwetzen.

Noch im Jahre 98 n. Chr. hatte Tacitus in seiner Germania rühmend der gefährlichsten, von Rom siegreich überwundenen Widersacher gedacht; allein die Unterwerfung der Germanen war den Römern noch nicht gelungen: inde proximis temporibus triumphati magis quam victi sunt (Tac. Germ. 37,5). Als Tacitus zwanzig Jahre später die Annalen verfaßte, mußte er enttäuschend feststellen, daß sich Hadrian so wenig wie Traianus diesem Ziel verpflichtet fühlte. An die Stelle der Forderung, die Tacitus noch in der Germania so eindringlich erhoben hatte, tritt in den Annalen die Erkenntnis, daß die Unterwerfung der Germanen nicht einmal mehr eine Hoffnung für die Zukunft sei: haud dubie - nun ist nicht mehr daran zu zweifeln, daß Germanien „frei“ bleibt und Arminius ist in der Tat liberator Germaniae. Auch scheint Tacitus nicht „im Zweifel“ gewesen zu sein, daß Tiberius die endgültige Wende in der Germanienpolitik vollzogen und mit der Abberufung des Germanicus die für die weitere Entwicklung maßgebliche Entscheidung getroffen hatte. 

Lit.: J. STRAUB, Liberator haud dubie Germaniae: Würzburger Jb. 6a (1980) 223-231.

[33] Das Arminiusbild des Tacitus im ganzen, wenn auch einseitig philologisch, untersucht W. EDELMAIER, Tacitus u. d. Gegner Roms, Diss. Heidelberg 1964, 83ff.

[34] D. TIMPE, Arminius-Studien 135.

[35] Tac. ann. I 59,1: Arminium super insitam violentiam rapta uxor, subiectus servitio uxoris uterus vaecordem agebant, volitabatque per Cheruscos, arma in Segestem, arma in Caesarem poscens

[36] Ä. BÄUMER, Die Bestie Mensch. Senecas Aggressionstheorie, ihre philosophischen Vorstufen und ihre literarischen Auswirkungen, Frankfurt/Bern 1982 (Studien zur klassischen Philologie 4), 77.

[37] Chr. TRZASKA-RICHTER 169 spricht sogar von einer literarischen Fiktion.

[38] Tac. ann. II 9,3.

[39] Tac. ann. II 10,1-3.

[40] D. TIMPE, Arminius-Studien 135.

[41] D. TIMPE, Arminius-Studien 133; siehe auch die Rede des Segestes und Arminius (Tac. ann. I 58).

[42] Tac. ann. I 59,3: sibi tres legiones, totidem legatos procubuisse; non enim se proditione neque adversus feminas gravidas, sed palam adversus armatos bellum tractare. D. TIMPE hebt hervor, daß sich Arminius „paradoxerweise“ eines fairen Kampfes rühmt (D. TIMPE, Arminius-Studien 134). Laut Chr. TRZASKA-RICHTER 170 Anm. 264 handelt es sich hier aber um eine bewußte Stilisierung des Tacitus.

[43] Über den Ritterstand: A. STEIN, Der römische Ritterstand, München 1927 (Münchner Beiträge zur Papyrusforschung und antiker Rechtsgeschichte 10); H.-G. PFLAUM, RE XXIII 1 (1957) 1240-1279; ders., Les carrières procuratoriennes équestres sous le Haut-Empire romain, 4 Bde., Paris 1960-61; G. ALFÖLDY, Chiron 11 (1981) 169-215; P. A. BRUNT, JRS 73 (1983) 42-75.

[44] Dieser Hinweis ist mit der genaueren Angabe von Tac. Ann. II 88,2f. vereinbar.

[45] Nur E. HOHL, HZ 167 (1943) 460, verteidigte den alten Lokativ Romae gegen die 1719 von BURMANN eingeführte Änderung von Romae in Romanae, um Arminius in Rom die „Fürstenschule“ besuchen und seine ritterliche Laufbahn beginnen lassen zu können. Die Änderung von BURMANN ist allgemein akzeptiert.

[46] Vell. II 118.

[47] Zum ductor popularium s. D. TIMPE, Arminius-Studien 60. Diese Angabe ist keine konkrete Amtsbezeichnung, sondern man kann dieser Textstelle nur entnehmen, daß Arminius ein Aufgebot seiner Landsleute angeführt hat.

Augustus machte die auxilia neben den Legionen zum zweiten tragenden Element seines stehenden Heeres. Zwar verschwanden die selbständig organisierten Streitkräfte der Verbündeten nicht alle sofort, sie blieben bestehen, solange ihre Herkunftsländer nicht direkt dem Römischen Reich eingefügt wurden. Aber die Masse der in den Provinzen rekrutierten Auxiliarsoldaten erhielt nun eine Gliederung in kontinuierliche, nach römischem Vorbild aufgebaute und ausgerüstete Einheiten, kommandiert von römischen Offizieren. Die meisten Alen (häufig aus Spanien und Gallien) waren bereits in augusteischer Zeit straff organisiert und standen unter dem Kommando von Praefecten, die oft ehemalige Legionscenturionen waren. Die große Mehrzahl der in den Ländern an Rhein und Donau zur Verfügung stehenden noch halbbarbarischen Provinzialen war nur für den Dienst als schweres oder zumindest halbschweres Fußvolk geeignet. Um sich ihrer mit Effekt und Zuverlässigkeit zu bedienen, mußte man sie erst nach römischem Vorbild reorganisieren. Da aber die Kavallerie vorrangig war, ließ man sich mit der Infanterie noch Zeit. Die meisten Auxiliarcohorten erreichten daher erst unter Claudius und Nero einen der Reiterei vergleichbaren Stand. Die im Vergleich zu den Legionen billigeren und problemloser zu ersetzenden Auxiliarinfanteristen konnten die Legionäre entlasten, ihnen Routinedienste und zweitrangige Kampfaufgaben abnehmen (M. JUNKELMANN, Legionen 100f.).

Die Auxilien hatten in augusteischer Zeit keine eigene militärische Funktion, sondern waren auf das Zusammenwirken mit den Legionen angewiesen. Die Operationsgruppen wurden dabei je nach Lage und militärischer Aufgabe von Fall zu Fall bald stärker, bald schwächer formiert (S. v. SCHNURBEIN, BRGK 62 [1981] 88f.).

[48] Tac. ann. II 10,3.

[49] D. TIMPE, Arminius-Studien 30.

[50] Nach P. KEHNE, Germania 75,1 (1997) 273 Anm. 43, ist es wohl ein zu minimalistischer Ansatz, wenn diese Stelle für R. WOLTERS, Römische Eroberung 212f., „nur aus(drückt), daß Arminius das Heer des Varus begleitete, wobei diese Passage eventuell allein den Zug in den Teutoburger Wald beschreibt.“

[51] So z. B. L. SCHMIDT, Die Westgermanen I 101; E. BICKEL, Arminiusbiographie 31.

[52] Vell. II 105,1.

[53] vgl. Tac. ann. II 10,3 ductor popularium.

[54] E. HOHL, Um Arminius 11.

[55] E. HOHL, Um Arminius 14. Die Annahme einer solchen „Fürstenschule“ ist pure Spekulation.

[56] E. HOHL, Um Arminius 13: „Die Funktionen des ductor popularium und des praefectus equitum schließen sich nicht nur nicht aus, sondern sie decken sich geradezu“. Mögen auch die Funktionen auch sehr ähnlich gewesen sein, kann von Deckungsgleichheit nicht die Rede sein. Ein praefectus equitum ist ein regulärer Dienstgrad eines römischen Offiziers aus dem Ritterstande, der über eine bestimmte Anzahl regulärer Kavalleristen befiehlt; römische Ausrüstung, römischer Drill, römische Diszipiln sind wesentliche Bestandteile seines Kommandos. Der praefectus equitum hat seinen festen Platz in der Befehlshierarchie und ist fest eingebunden. Er wird von Rom bzw. seinem Vertreter ernannt. Ein ductor popularium ist ein einheimischer Anführer aus dem nationalen Adel (der das römische Bürgerrecht besitzen kann), der über einheimische Krieger verfügt, die mit barbarischer Ausrüstung auf barbarische Weise als Verbündete der Römer kämpfen. Er wird von der germanischen Heeresversammlung gewählt, es sei denn, seine Untergebenen bestehen nur aus seiner Gefolgschaft, dann befiehlt er gemäß seiner Stellung als princeps. Wichtigster Unterschied ist die Quelle, von woher der Kommandeur seine Autorität bezieht. Und so wie ein regulärer Auxiliarsoldat sich von einem barbarischen socius in seinem Wesen unterscheidet, so different sind auch die Funktionen des praefectus equitum und des ductor popularium. Die ganze Befehlsstruktur (Befehl-Gehorsam) ist anders. Arminius kan aber beide Stellungen hintereinander ausgeübt haben.

[57] E. HOHL, Um Arminius 11.

[58] D. TIMPE, Arminius-Studien 40-41.

[59] Vell. II 118,4.

[60] D. TIMPE, Arminius-Studien 44-45.

[61] D. TIMPE, Arminius-Studien 46.

[62] H. CALLIES, Arminius - Held der Deutschen 34.

[63] H. CALLIES, Arminius - Held der Deutschen 34.

[64] H. CALLIES, Arminius - Held der Deutschen 35.

[65] H. CALLIES, Arminius - Held der Deutschen 36.

[66] Vell. II 117ff.; Fl. II 30, 29ff.

[67] H. CALLIES, Arminius - Held der Deutschen 37. Arminius gehörte schließlich einer ursprünglich prorömischen Gruppe an, so daß man für das Jahr 9 n. Chr. nach einem speziellen persönlichen Grund suchen muß.

[68] H. CALLIES, Arminius - Held der Deutschen 37.

[69] U. SCHILLINGER-HÄFELE,  Historia XXXII (1983) 126.

[70] W. WILL, BJb. 187 (1987)  51.

[71] B. PATZEK, HZ 247 (1988) 46f.

[72] A. DEMANDT, AV 185-196.

[73] Caes. BG IV 19,2.

[74] Tac. ann. XI 19.

[75] Tac. Germ. 10,4; 11,5.

[76] R. WENSKUS, Stammeskunde 423 Anm. 25.

[77] Tac. ann. I 68.

[78] A. DEMANDT, AV 195.

[79] Tac. ann. XI 16,1.

[80] Tac. ann. II 88: Ceterum Arminius, abscedentibus Romanis et pulso Maroboduo regnum adfectans, libertatem  popularium adversam habuit, petitusque armis cum varia fortuna certaret, dolo propinquorum cecidit.

[81] H.  WOLFRAM, Das Reich und die Germanen 42-45.

[82] Vell. II 118,2; Tac. ann. II 10.

[83] Tac. ann. II 88,2: Arminius...regnum adfectans.

[84] Tac.ann. II 63; XI 16; Tac. Germ. 42; Plin. ep. II 7,2; Cass. Dio LXVII 5,1; HA Hadr. 12,6.

[85] Tac. ann. II 62; II 63; XI 19; XII 29.

[86] An zwei Stellen bezeichnete Arminius die Position des germanischen Heerführers als „Imperator“ (Tac. ann. II 10,1; II  45,2).

[87] Tac. ann. II 13.

[88] Vgl. Tac. ann. II 45: Meminissent modo tot proeliorum, quorum eventu et ad postremum eiectis Romanis satis probatum, penes utros summa belli fuerit.

[89] J. HERRMANN, Griechische und lateinische Quellen, Teil 3, 121; D. KESTERMANN, Quellensammlung 87; Publius Cornelius Tacitus, Germania - Die Annalen, München ohne Jahreszahl (Übersetzung durch W. HARENDZA), 125.

[90] Publius Cornelius Tacitus, Germania - Die Annalen, München ohne Jahreszahl (Übersetzung durch W. HARENDZA), 109.

[91] J. HERRMANN, Griechische und lateinische Quellen, Teil 3, 137; W. CAPELLE, Das alte Germanien 128; D. KESTERMANN, Quellensammlung 65.

[92] W. CAPELLE, Das alte Germanien 137.

[93] J. BLEICKEN, Imperator: Kl. P. II (1979) 1377-1381.

[94] Vell. II 108,2: sed certum imperium vimque regiam complexus animo statuit. Vell. II 109,1: corpus suum custodientium imperium...

[95] Tac. Ann. II 45,1.

[96] A. JOHNSON, Römische Kastelle 252-258.

[97] vgl. Vell. II 108,2.

[98] vgl. Tac. ann. I 55,3.

[99] Tac. ann. II 45: Deriguntur acies, pari utrimque spe, nec, ut olim apud Germanos, vagis incursibus aut disiectas per catervas: quippe longa adversum nos militia insueverant sequi signa, subsidiis firmari, dicta imperatorum accipere. Maroboduus selbst hat sein Heer aus 70.000 Fußsoldaten und 4.000 Reitern nach römischem Vorbild ausgebildet (Vell. II 109,1-2). Die Übernahme römischer Taktik und Disziplin ist auch von den Chatten bekannt (Tac. Germ. 30).

[100] Tac. ann. I 57.

[101] Tac. ann. II 45.

[102] Tac. ann. I 57-59; I 71,1.

[103] Tac. ann. II 9-10; II 45,1; II 46,1.

[104] Tac. ann. II 44-46.

[105] Vell. II 109,5; Tac. ann. II 46.

[106] H. WOLFRAM, Die Germanen 39f.

[107] Tac. ann. I 55. Die Alternative tritt bei Tacitus klar hervor: entweder die Lasten der Tributzahlung und der Friede, mehr noch, die Teilhabe am Imperium oder ein Leben frei von Lasten und Abgaben, dafür aber Unruhe, Krieg, Gefahr für Leben und Gut. Die Bezeichnung des Arminius als liberator Germaniae (Tac. ann. II 88) steht dazu in keinem Gegensatz: Arminius hat den Germanen wohl die Freiheit vom sicheren ruhigen Dasein innerhalb des Imperiums, damit auch die Befreiung von den damit verbundenen Lasten erlangt, er fällt aber eben dieser unkontrollierten, der Unbotmäßigkeit verdächtig nahekommenden „Freiheit“ selbst zum Opfer. Siehe: M. R.-ALFÖLDI, Germania 75, 1 (1997) 50f. Sie faßt hier den libertas-Begriff im praktischen Sinne auf und weist nochmals daraufhin, daß es eine Germania libera im ideell-politischen Sinne in der Antike für die Römer nicht gegeben habe.

[108] Tac. ann. I 58,1.

[109] Tac. ann. I 58,4-6.

[110] Tac. ann. II 9-10. Die Frage, ob und wie konkret diese Rede wirklich gehalten wurde, bleibt hier unberührt. Es kommt hier nur auf die Argumente an.

[111] Tac. ann. II 10,1.

[112] Tac. ann. II 15,3.

[113] Die Parole ist erstmals 1864 in Schleswig-Holstein nachweisbar.

[114] Tac. ann. II 88. Vgl. J. STRAUB, Würzburger Jb 6a (1980) 223-231.

[115] H. WOLFRAM, Die Germanen 39. Über die Ehre: ders., Die Germanen 20-22; J. DE VRIES, Die geistige Welt der Germanen, Darmstadt 1964, 12-40. Nach DE VRIES sind Mut, Treue und Ehre die höchsten Güter des germanischen Mannes (S. 12). „Der Kampf ist die höchste Bewährung des Mannes“ (J. DE VRIES 18). „Das sittliche Empfinden der Germanen gipfelt in der Ehre, die das unerschütterliche Fundament der menschlichen Würde ist“ (J. DE VRIES 24).

[116] Tac. ann. XI 16.17.

[117] Vell. II 118,2. Die Exklusivität des Ritterstandes im rechtsrheinischen Germanien muß eigens hervorgehoben werden. In der Varusschlacht kommandierte Varus maximal 24 Angehörige des Ritterstandes (Tribuni angusticlavii, Alen- und Cohortenpraefecten, wobei letztere in augusteischer Zeit keine „Ritter“ gewesen sein müssen). Rechts des Rheines wird es m.E. um 9 n. Chr. nicht mehr als 30 Angehörige des Ritterstandes gegeben haben. Hinzu kommmen die 10 tribuni angusticlavii des Asprenas.

[118] Vell. II 118,2.

[119] M.  JUNKELMANN, Legionen 103.

[120] Die Cherusker hatten sich maßgeblich am Kampf gegen Drusus beteiligt; doch dürfte es danach zu Spannungen innerhalb der Führungsschicht gekommen sein, die zur Exilierung der Unterlegenen führte. Die aus dem Stamm Vertriebenen wandten sich zunächst erfolglos an den römischen Feldherrn (Tiberius). Nur wenige Jahre später scheint sich dagegen die gesamte cheruskische Führungsschicht vereint den Römern angeschlossen zu haben: die Sigimer-Söhne Arminius und Flavus traten um 4/5 n. Chr. als Befehlshaber von cheruskischen Stammeseinheiten in römische Dienste, wurden römische Bürger, Arminius sogar in den Ritterstand erhoben. Aber auch Segestes, das Familienoberhaupt des einen Zweiges der Königssippe und später bitterer Feind wie Schwiegervater des Arminius, erhielt das römische Bürgerrecht, sein Sohn Sigimund wurde Priester am ubischen Augustusaltar in Köln.

[121] Dies bedeutet aber nicht, daß Arminius nicht schon vorher in römischen Diensten gedient haben könnte, schwerlich aber vor seinem 17. Lebensjahr (1 n. Chr.). Zum Zeitpunkt der Varusschlacht war Arminius folglich mindestens 5 Jahre lang römischer Soldat.

Die Volksaufgebote eines mehr oder weniger selbständigen Stammes (G. ALFÖLDY, Hilfstruppen 79) wurden nur für außerordentliche Fälle aufgestellt, so für Kriegszüge und in gespannten militärischen Situationen (G. ALFÖLDY, Hilfstruppen 93). Die Cherusker gehörten nach G. ALFÖLDY nicht zum ständigen Kontingent einer Provinzarmee (G. ALFÖLDY, Hilfstruppen 94). Die Aufstellung der Volksaufgebote für die Kriege dürfte hauptsächlich aufgrund eines foedus zwischen Rom und einer civitas erfolgt sein. Eine betreffende Truppe bestand offensichtlich ausschließlich aus Kriegern, die die betreffende civitas gestellt hat, d.h. aus der iuventus und überhaupt aus der wehrfähigen Bevölkerung (G. ALFÖLDY, Hilfstruppen 88). Die Regeln der römischen disciplina militaris wurde auf diese Truppe nicht angewendet. Die Krieger der Volksaufgebote hatten keine bestimmte Dienstzeit und durch den Militärdienst wohl keinen Anspruch auf die civitas Romana und das conubium. Selbstverständlich kämpften sie nach nationaler Taktik und mit nationaler Bewaffnung. Wenn diese Scharen überhaupt taktisch gegliedert waren, so erfolgte die Gliederung der einzelnen Truppen nicht nach turmae und centuriae wie in den römischen Alen und Cohorten; im allgemeinen standen sie unter der Führung eines Adeligen (ductor popularium) aus der betreffenden civitas (G. ALFÖLDY, Hilfstruppen 94f.). Sobald man aus einem Volksaufgebot eine ständige Truppe organisieren wollte, wurde es unmittelbar zu einer regulären Auxiliarformation umgebildet (G. ALFÖLDY, Hilfstruppen 91). In den Kriegen der augusteischen Zeit (wahrscheinlich in den Feldzügen 4-6 n. Chr.) dienten in der römischen Armee, zweifellos in der germanischen, Cherusker unter der Führung des ductor popularium Arminius (G. ALFÖLDY, Hilfstruppen 78).

Nach D. TIMPE, Arminius-Studien 68, wären die populares des Arminius als eine sicherlich ihrem Habitus nach barbarische, aber als eine ständige und insofern reguläre Einheit anzusehen, die unter Führung eines Praefecten aus dem Stammesadel in der Regel im Lande selbst stand und einer gewissen römischen Kontrolle unterlag. Die Führer der Hilfstruppen kamen nach D. TIMPE aus der Mannschaft (wobei er  m.E. die Bedeutung der Principes in den germanischen Stämmen sowie der stirps regia bei den Cheruskern zu gering einschätzt) und legten vermutlich in der Einheit selbst ihre Karriere zurück: miles - principalis - centurio - praefectus cohortis (D. TIMPE, Arminius-Studien 60). Hilfstruppen, die mehr als ephemere Stammesaufgebote waren, hat es nach D. TIMPE schon in augusteischer Zeit gegeben, das System, ethnische einheitliche Hilfstruppen aus nationaler Konskription und unter Führung von Stammesadligen als Auxiliarpraefecten scheint in der Okkupationszeit eingeführt worden zu sein (D. TIMPE, Arminius-Studien 62). Die Rekrutierung von Auxilien kann eine Ansehen und Vorteil eintragende Vergünstigung bedeuten. Die durch äußere Gründe nahegelegte Milde im allgemeinen sowie die Chance, aus den für treu gehaltenen Adelsfamilien militärisches Führungspersonal zu gewinnen, könnten laut D. TIMPE trotz der Rebellion Motive dafür gewesen sein, daß die römische Militärverwaltung eine cheruskische Auxiliartruppe gründete (D. TIMPE, Arminius-Studien 79). Die drei Aufgabenbereiche: Schutz bestimmter Plätze, Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit in bestimmter Hinsicht und die Gestellung oder Transport von Versorgungsgütern könnten nach D. TIMPE Stammestruppen übertragen gewesen sein; es handelte sich dabei um ständige Leistungen, die mit Funktionen der Militärverwaltungen zusammenhingen (u.a. Straßenkastelle, Getreidedepots) und einer kontinuierlichen Besorgung bedurften (D. TIMPE, Arminius-Studien 97).  Die Stammesaufgebote gehörten zur levis armatura; in mehreren bekannten Fällen untersteht die gesamte levis armatura eines Distrikts einem Primipil. Der Anführer eines einzelnen Aufgebotes rangierte folglich erheblich unter einem Angehörigen des Ritterstandes (D. TIMPE, Arminius-Studien 32).

Die Hilfstruppen setzten sich in der späten Republik zunächst aus lokalen Kontingenten zusammen, die auch von Einheimischen, oft vom Fürsten des verbündeten Volkes selbst, kommandiert wurden. Solche Einheiten wurden nach Beendigung des Feldzuges wieder entlassen. Die Aushebung von Hilfstruppen erfolgte unter Augustus nicht immer auf freiwiliger Basis.; es gab Zwangsrekrutierungen, die auf eine Schwächung des betreffenden Stammes zielten (Raeter, Vindeliker).

In den Jahren 14-16 n. Chr. lassen sich im rechtsrheinischen Germanien eigenständig, d.h., nicht direkt mit oder neben einer Legion, operierende Auxiliarformationen, besonders Reitertruppen, nachweisen (Tac. ann. I 50; I 60; II 8 und 11). Ferner ist für das 1. Jh. n. Chr. die Zusammenfassung mehrerer Hilfstruppen unter dem Kommando eines eigenen Praefecten bezeugt, was nach G. WESCH-KLEIN 209 darauf hindeutet, daß diese Kontingente selbständig operierten. Die auxilia waren innerhalb einer Provinz dem Befehl des Statthalters unterstellt, nicht aber der Befehlsgewalt des Legionslegaten, auch wenn zur Zeit des Augustus Legion und Auxiliareinheiten oft gleichzeitig in einem Lager anwesend waren. Aus strategischen Erwägungen waren gerade während der augusteischen Okkupationsphase kleinere Abteilungen zur Sicherung der Verbindungen zwischen den militärischen Zentren und vorgeschobenen Operationslinien unverzichtbar. Diese kleinere Einheiten konnten auf lokale Konflikte und Anforderungen schnell und flexibel reagieren. Schon aus geographischen Gründen war eine relative Selbständigkeit der auxilia ebenso nötig wie ein zuverlässiger Kommandeur vor Ort. Augustus mußte dafür Sorge tragen, daß im Bedarfsfall Hilfstruppen parat standen, also folgerichtig diese Truppen dauerhaft in den Heeresverband integrieren. Dies hatte zugleich den Vorteil, daß im Ernstfall sofort erfahrene, durch regelmäßiges Exerzieren geübte und mit der römischen Taktik vertraute Soldaten, vor allem spezialisierte Einheiten, wie etwa Reiter, verfügbar waren. Zwar konnten ad hoc-Aufgebote der einheimischen Bevölkerung aufgeboten werden, doch war deren Zuverlässigkeit keineswegs erwiesen; außerdem fehlte diesen Verbänden die Erfahrung im Zusammenwirken mit römischen Truppen. So mußte der Princeps im Rahmen seiner Heeresreform auch eine Neuordnung des Hilfstruppenwesens vornehmen, d.h. die Aufnahme der Hilfstruppen als reguläre Einheiten in das römische Heer. Geht man wie G. WESCH-KLEIN 214 von einer Auffächerung der Heeresmacht im Jahre 30 v. Chr. auf die einzelnen Reichsteile aus, so heißt das nach G. WESCH-KLEIN, daß seit dieser Zeit nicht nur Legionen, sondern auch auxilia auf Dauer in den Provinzen standen (G. WESCH-KLEIN, BAW 26 [1991] 202-216). Arminius könnte m. E. Befehlshaber einer solchen Auxiliarformation gewesen sein.

Lit.: K. KRAFT, Zur Rekrutierung der Alen und Kohorten an Rhein und Donau, Diss. Bern 1951; H. CALLIES, BRGK 45 (1965) 130-227; G. ALFÖLDY, Die Hilfstruppen der römischen Provinz Germania inferior, Düsseldorf 1968; D. TIMPE; Arminius-Studien 50-80; D. B. SADDINGTON, ANRW II 3 (1975) 176-201; R. WOLTERS, Römische Eroberung 109-130; G. WESCH-KLEIN, BAW 26 (1991) 202-216.

[122] Persönliche Tapferkeit, persönlicher Kampfesmut und Vertrautheit mit dem Boden kamen im zerstreuten Gefecht viel stärker zum Ausdruck. Die elastische Kampfform herrschte vor. Sie galt der germanischen Mentalität als klug und ehrenvoll. Die optimale Ausnutzung des Geländes ist ebenso kennzeichnend wie die Tatsache, daß alle Unternehmungen unmittelbar und unberechenbar angesetzt und ebenso plötzlich wieder abgebrochen wurden (H.-G. GUNDEL, Untersuchungen 41; vgl. Tac. Germ. 6). Beim Angriff im zerstreuten Gefecht handelt es sich darum, dem durch Geländehindernisse oder auch durch künstliche Hindernisse an der Entfaltung und Entwicklung seiner Kräfte gehinderten Feind in wirksamer Verbindung von Fern- und Nahkampf durch plötzliche, an verschiedenen Punkten einsetzende Angriffe möglichst viel zu schaden, den eigenen Truppen aber größere Verluste zu ersparen. Im hinhaltenden Kampf suchten die Germanen die vorbeimarschierenden Feinde durch dauernde Angriffe und Überfälle zu belästigen und ihnen möglichst viele Verluste beizubringen. Der Fernkampf der Infanterie, aber auch die Attacken der Kavallerie waren dabei von großer Bedeutung. Kennzeichnend war, daß bei dieser Gefechtsform den Römern nie Gelegenheit zu Gegenschlägen gegeben wurde. Typisch ist hierbei, daß der vorbeimarschierende Feind durch mehrere hintereinanderliegende Stellungen, in denen der Verteidiger sich immer wieder festsetzt, aufgehalten und zu zeitraubenden Manövern gezwungen wird. Mancher Feldzug endete so ohne Entscheidungsschlacht. Die Verteidigung der Germanen bestand entweder in ihrem Rückzug aus dem Operationsgebiet der Römer, um eine Entscheidungsschlacht zu vermeiden, oder in ihrem Rückzug auf eine feste Stellung, in der man den Kampf aufnehmen will. Der Grundgedanke bei Überfällen und planmäßigen Hinterhalten ist, den Feind in plötzlichem Stoß niederzuwerfen, um ihm keine Möglichkeit einer geschlossenen Abwehr zu lassen (H.-G. GUNDEL, Untersuchungen 49-56).

Über die Kriegskunst der Germanen: H. DELBRÜCK, Geschichte der Kriegskunst, Bd. 2, 3. Aufl., Berlin 1921; E. v. FRAUENHOLZ, Das Heer der germanischen Frühzeit, des Frankenreiches und des ritterlichen Zeitalters, München 1935, 1-55; P. SCHMITTHENNER, Das germanische Heer, in: K. LINNEBACH, Das germanische Heer, Hamburg 1935, 7-31; H.-G. GUNDEL, Untersuchungen zur Taktik und Strategie der Germanen nach den antiken Quellen, Diss. Marburg 1937; H. ROLL, Gymnasium 49 (1938) 82-86; Fr. LAMMERT, Gymnasium 49 (1938) 194-196; A. KÜSTERS, Cuneus, Phalanx und Legio, Würzburg-Aumühle 1939, 130-163; H.-G. GUNDEL, Gymnasium 50 (1939) 154-165; ders., Vergangenheit und Gegenwart 30 (1940) 10-28; K. PASTENACI, Die Kriegskunst der Germanen, Karlsbad-Leipzig 1940; Fr. LAMMERT, Gymnasium 51 (1940) 15-31; F. MILTNER, Von germanischer Waffenübung und Kriegskunst: Convivium, K. Ziegler dargebracht, Stuttgart 1954, 131-153; A. LEUBE, Bewaffnung und Kampfesweise, in: DIE GERMANEN I, 346-355. Der Aufsatz von H. STEUER, „Zu den germanischen Heeresverbänden im Spiegel der Archäologie“; soll voraussichtlich erscheinen in: R. WIEGELS (Hrsg.), Rom, Germanien und die Ausgrabungen von Kalkriese. - Akten des Internationalen Kongresses vom 02.09. bis 05.09.1996 an der Universität Osnabrück, Bramsche/Osnabrück 1999 (Schriftenreihe Kulturregion Osnabrück des Landschaftsverbandes Osnabrücker Land e. V.).

[123] Tac. ann. I 55,2; II 10,3.

[124] Die Auxiliarsoldaten der frühen Kaiserzeit waren häufig von ihren Stämmen oder Staaten rekrutiert und wurden dann den Römern zur Verfügung gestellt. Die Cohorten der Auxiliarinfanterie stammten unter Augustus vorwiegend aus den Alpen- und Donaugebieten, also gerade erst eroberten Gebieten, was den noch halbbarbarischen Charakter dieser Einheiten erklärt. Indem man einen erheblichen Teil der waffenfähigen Mannschaft in einer neuen, noch kaum befriedeten Provinz aushob und auf entfernte Kriegsschauplätze verschickte, verringerte man das Potential, das im Falle eines Aufstandes gefährlich werden konnte. Allerdings hielten sich die Römer keineswegs konsequent an das Prinzip, derartige Truppen nur fern der Heimat einzusetzen, und sie mußten diesen Fehler mit den schweren Erhebungen in Pannonien und Germanien bezahlen, die beide wesentlich von ihren eigenen Hilfstruppen ausgelöst und getragen wurden (M. JUNKELMANN,  Legionen 102).

[125] Unter Augustus war die ritterliche Laufbahn noch nicht so fest umrissen und reglementiert, wie das etwa ab Claudius der Fall sein sollte (G. ALFÖLDY, Hilfstruppen 116). Vieles hatte experimentellen Charakter und wurde recht flexibel gehandhabt (M. JUNKELMANN, Legionen 113). Das Kommando über eine Ala führte ein Reiterpraefect (praefectus equitum), das über eine Cohorte ein Infanteriepraefect (praefectus cohortis). In augusteisch-tiberischer Zeit waren dies oft abkommandierte Legionscenturionen, von Claudius an wurden die Praefectenstellen zu einer Domäne des Ritterstandes (M. JUNKELMANN, Legionen 103). Alenpraefecten wurden vom Princeps, die Cohortenpraefecten vom Statthalter ernannt (G. ALFÖLDY, Hilfstruppen 130). Bei den gallisch-germanischen und hispanischen Truppen, die aufgrund eines foedus und ohne dilectus aus als zuverlässig geltenden Stämmen aufgestellt oder ergänzt wurden, überließ man (bis ca. 70 n. Chr.) das Kommando mehr oder weniger regelmäßig den Adeligen der betreffenden Stämme (G. ALFÖLDY, Hilfstruppen 116).

Die Kommandeure der gallisch-germanischen Infanterietruppen, die nobiles der betreffenden civitas waren, aus der die Truppe aufgestellt wurde, durchliefen keine regelmäßige ritterliche Laufbahn. Sie erhielten nur ein Kommando, wie auch die praefecti der nationalen gallisch-germanischen Kavallerietruppen (G. ALFÖLDY, Hilfstruppen 121). Dagegen hatten sie vor dem Cohortenkommando in der Regel zivile Ämter in der betreffenden civitas inne, und nach dem Kommando dürften sie wohl die wichtigsten Verwaltungsämter der civitates erhalten haben (G. ALFÖLDY, Hilfstruppen 129).

[126] Selbst noch als Segestes ihn vor Varus des Verrats bezichtigte, glaubte der Statthalter mehr dem römischen Ritter und Tischgenossen als dem einfachen römischen Bürger. Auch galt in seinem Fall nicht „fratres a fratribus velut supremum dividantur“ (vgl. Tac. hist. IV 14,3), sondern er diente gemeinsam mit Flavus in der römischen Armee. Arminius und die Seinen hätten gemäß den Mechanismen der römischen Steuerpraxis bei der Errichtung einer Provinz Germanien eher zu gewinnen als zu verlieren (H. WOLFRAM, Die Germanen 39).

[127] Nach H. CALLIES, BRGK 45 (1964) 142f., bedeutet hier „tribuni“ „Führer im allgemeinen Sinne“. Sie kommandierten nach G. ALFÖLDY, Hilfstruppen 78, eine irreguläre Truppe.

[128] Diese in der Gallia Belgica ansässige Völkerschaft rühmte sich ihrer germanischen Abstammung (Tac. Germ. 28; Strab. IV 3,4 p. 194 C), war aber keltisiert.

[129] Liv. per. 141. Die Nervier spielten im römischen Heere unter den Auxiliaren eine bedeutende Rolle.

[130] Bei den Hilfstruppen der Kaiserzeit wurde eine cohors quingenaria von einem praefectus, eine cohors milliaria von einem tribunus kommandiert. Die Laufbahn (tres militiae) sah ab Claudius so aus: 1.) praefectus cohortis quingenariae, 2.) tribunus militum legionis bzw. tribunus cohortis milliariae, 3.) praefectus alae quingenariae (I. KÖNIG 394f.). Wie das Beförderungssystem zur Zeit des Arminius aussah, ist noch weitgehend unbekannt. Augustus hat aber eine geregelte ritterliche Beamtenkarriere eingerichtet. Wahrscheinlich wurde noch experimentiert.

[131] Wahrscheinlich waren cheruskische Kontingente im Jahre 6 n. Chr. mit im Einsatz gegen Maroboduus, als der Pannonische Aufstand ausbrach.

[132] Unmittelbar nach dem Bataveraufstand 69/70 n. Chr. wurden auf Anordnung Vespasians die Auxiliareinheiten nicht mehr ausnahmsweise, sondern regelmäßig fern ihrer Herkunftsländer eingesetzt und unter stammesfremde, in der Regel römisch-italische Kommandanten gestellt. Karrieren eines Arminius oder eines Civilis waren seitdem nicht mehr möglich.

[133] „Tischgenosse“ bedeutet nichts anderes, als daß er am Hofe des Statthalters zugelassen war und zuweilen dort verkehrte. Als einheimischer Fürst und Offizier im Ritterrang zugleich besaß er zweifelsohne eine geachtete Stellung. Dort konnte Arminus Varus und seinen Stab persönlich kennenlernen sowie deren Stärken und Schwächen studieren.

[134] R. WIEGELS, KROL 233.

[135] Vgl. Tac. ann. I 55,3. Mit dem Ende der äußeren Bedrohung erlosch Arminius´ monarchische Gewalt. Siehe: H. WOLFRAM, Die Germanen 40.

[136] H. WOLFRAM, Die Germanen 44.

[137] Auch im 20. Jahrhundert waren viele bedeutende Führer der Unabhängigkeitsbewegungen der Kolonien im Gegensatz zu dem größten Teil ihrer Völker europäisch gebildet. Dies bewirkte einen wesentlich erweiterten Begriffshorizont und erhöhte Wahrnehmung als die nicht-zivilisierte Masse.

Der germanische Befreiungsnationalismus weist Ähnlichkeiten mit dem Abwehrkampf gegen den französischen Imperialismus 1813 auf, der auch gegen die französisch-romanische Kulturhegemonie gerichtet war. Das Geschichtsbild Hermanns des Cheruskers bot sich an. Siehe auch: A. DÖRNER, Politischer Mythos und symbolische Politik. Der Hermannmythos: zur Entstehung des Nationalbewußtseins der Deutschen, Reinbek 1996. Nichts machte die Arminiusgestalt zum nationalen Symbol so geeignet wie die Tatsache, daß die Überlieferung auch dem cheruskischen Helden beides zuschrieb: die Abwehr des äußeren Feindes und das verzweifelte Einigungsbemühen im eigenen Bereich, und daß das eine das andere irgendwie bedingte (D. TIMPE, in: Kongreß 1996, 729).

[138] Die Markomannen siedelten im 1. Jahrhundert v. Chr. im Gebiet zwischen Main, Böhmerwald und Donau, ohne daß es möglich ist, ihre Sitze genau zu lokalisieren. Ihr Kerngebiet scheint am unteren und mittleren Main zu liegen. Im Jahre 9 v. Chr. wurden sie von Drusus besiegt (Fl. II 30,23; Oros. VI 21,5). Sehr bald nach ihrer Niederlage gelang es einem markomannischen Adligen namens Maroboduus (Marbod), der längere Zeit in römischen Diensten getanden hatte, den Stamm zu bewegen, abzuwandern und sich dadurch der römischen Herrschaft zu entziehen (Vell. II 108,2; Strab. VII 1,3 p. 290 C). Schon im Jahre 1 v. Chr. konnte Domitius Ahenobarbus den aus ihren Sitzen vertriebenen Hermunduren einen Teil des Markomannenlandes als neuen Wohnsitz anweisen (Cass. Dio LV 10a). Folglich mußte es damals von seinen bisherigen Bewohnern verlassen gewesen sein.

Die markomannische Landnahme erstreckte sich hauptsächlich auf die Flachlandgebiete in Mittel- und Nordwestböhmen, das bis dahin den keltischen Bojern gehört hatte (G. MILDENBERGER, Vor- und Frühgeschichte der böhmischen Länder 107).

Maroboduus und seinen Markomannen gelang es, die in Böhmen befindlichen und neu zuwandernden Gruppen verschiedener Stammeszugehörigkeit unter ihrer Herrschaft zu vereinigen. Das Ergebnis ist die Bildung eines neuen Stammes, der den Namen der zahlenmäßig wahrscheinlich ziemlich geringen, aber die Neubildung tragenden Führungsschicht („Traditionskern“) übernimmt (G. MILDENBERGER, Vor- und Frühgeschichte der böhmischen Länder  108). Wie fest die verschiedenen Elemente miteinander verschmelzen, geht daraus hervor, daß die Neubildung den Sturz des Maroboduus und die Zerstörung seines Reiches überlebt und als Stamm bestehen blieb).

Der neue Stamm gewinnt bald einen bedeutenden Einfluß. Er verfügt über ein günstiges Siedlungsgebiet, eine beträchtliche Volkszahl, zudem ist er der Erbe der spätkeltischen Wirtschaft in Böhmen. Maroboduus gelang es, eine ganze Reihe anderer Stämme seiner Herrschaft zu unterwerfen oder anzugliedern. Das sich in den Jahren um Christi Geburt herausbildende „Reich“ umfaßte außer den traditionstragenden Markomannen die Langobarden und Semnonen im unteren Elbegebiet, ferner die Lugier in Schlesien und andere Stämme, deren Namen offenbar verdorben überliefert wurden (Strab. VII 1,3 p. 290 C; Tac. ann. II 45). Sehr wahrscheinlich gehörten die Hermunduren, die Marsingen und die gleichzeitig mit den Markomannen nach Mähren gekommenen Quaden dazu. Es war -erstmals in der germanischen Geschichte- ein größerer Herrschaftskomplex gegründet worden, dessen Einflußbereich weit über die Grenzen Böhmens ausstrahlte. Durch Kriege oder diplomatische Verhandlungen zwang Maroboduus die benachbarten Völker zur Gefolgschaft. Letztlich blieb seine Herrschaft trotz der zeitweilig starken Stellung des Maroboduus labil., da die Loyalität seiner Anhängerschaften aus verschiedenen Stämmen (die ihre frühere Identität nicht aufgegeben hatten) auf die Dauer keine sichere Machtbasis war. Eine Reichsbildung im Sinne einer weiträumigen Herrschaftsorganisation (über Böhmen hinaus) war das regnum des Maroboduus nicht.

Maroboduus verfügte schließlich über eine mächtige Streitmacht von 70.000 Infanteristen und 4.000 Kavalleristen (Vell. II 108,2), nach römischem Vorbild organisiert und wohldiszipliniert, gegen die die Römer im Jahre 6 n. Chr. nicht weniger als 12 Legionen aufbieten wollten (Tiberius verglich in einer Senatsrede hinsichtlich der Gefahrenstärke die Markomannen [Tac. ann. II 63] mit dem Seleukidenkönig Antiochus sowie mit den beiden Makedonenkönigen Philipp und Pyrrhos, so daß sich Augustus entschloß, diese mächtige Bedrohung zu vernichten), als gerade ein in Pannonien ausbrechender Aufstand losbrach und die Römer zum Abzug zwang (Vell. II 109,5; 110,1,2; Tac. ann. II 46; Cass. Dio LV 28). Maroboduus nutzte die Situation nicht aus, sondern schloß mit Tiberius ein Bündnis und verhielt sich von da an neutral. Diesen Frieden selbst rechnete sich Tiberius als Erfolg seiner Friedenspolitik an (Tac. ann. II 26), Maroboduus aber ebenso als Erfolg, daß er nicht besiegt sei (Tac. ann. II 46).

Unter Maroboduus bildete sich eine recht ausgeprägte Kulturgruppe in Mittel- und Nordwestböhmen heraus (R. v. USLAR, Archäologische Fundgruppen und germanische Stammesgebiete vornehmlich der Zeit um Christi Geburt: HJb. 71 [1952] 1-36, bes. 9-12; G. MILDENBERGER, Vor- und Frühgeschichte der böhmischen Länder 107f.) Die (Main-) Markomannen stellten nur eine zahlenmäßig kleine Gruppe im neugebildeten Stamm dar, Gruppen anderer Herkunft überwogen und bestimmten daher den Charakter des Fundmaterials. Diese Kulturgruppe stellte einen Teil des elbgermanischen Kreises dar (markomannisches Kerngebiet) (O. ALMGREN, Mannus 5 [1913] 265-278). 

Der augusteische Import beschränkte sich auf diese Landesteile. Die Lebensgrundlage war in einem sehr starken Maße die Landwirtschaft, die nur durch ein dörfliches Handwerk und einen freilich für Germanen relativ bedeutenden Handel ergänzt wurde (G. MILDENBERGER, Vor- und Frühgeschichte der böhmischen Länder 111f.). Von den Bodenschätzen wurde nur Eisen gewonnen (R. PLEINER, BRGK 45 [1965] 20-28).

Befestigungen wurden im Gegensatz zur keltischen Zeit nicht mehr dauernd besiedelt, sondern nur noch als Fluchtburgen benutzt. Den Mittelpunkt des Markomannenreiches bildete die bei einer Fluchtburg, einem Ringwall, gelegene Königsburg (Strab. VII 1,3 p. 290 C; Tac. ann. II 62; Ptol. II 11,29), wo der Herrscher, umgeben von seiner Gefolgschaft, Hof hielt. Die Lage dieser Königsburg ist unbekannt (G. MILDENBERGER, Vor- und Frühgeschichte der böhmischen Länder 112).

Lit. zu den Markomannen u.a.: L. SCHMIDT, Westgermanen, Band I, 153-158;  J. DOBIAS, Klio 38 (1960) 155-166; K. MOTYKOVA-SNEIDROVA, Die Anfänge der römischen Kaiserzeit in Böhmen, Prag 1963; E. A. THOMPSON, Maroboduus, in: Studies presented to G. Thomson, Prag 1963, 203-210; G. MILDENBERGER, Vor- und Frühgeschichte der böhmischen Länder, in: K. BOSL, Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder, Band I, Stuttgart 1967, 21-161, bes. 106-114.

[139] Damit ist das Staatsvolk des Regnum gemeint.

[140] Reguläre Auxiliartruppen wurden erstmals unter Augustus aufgestellt, waren aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht sehr romanisiert. Die Unterführer der Arminius-Truppe werden wohl germanische principes gewesen sein, eine formale Trennung in meuternde Auxiliareinheiten einerseits und germanischer Freiheitsarmee andererseits wäre zu gekünstelt. Beide wirkten ineinander.

[141] Die Kriegszüge der Landnahmeheere der Kimbern und Teutonen, die um ihre nackte Existenz kämpfen mußten, gehören nicht hierher. Die Planlosigkeit der Operationen bis zum Jahr 102 v. Chr., die vielen Siege, die nicht ausgenutzt wurden und überhaupt die Züge, deren Ziel mit jedem Widerstand wechselte, verbieten es nach H.-G. GUNDEL, Untersuchungen 66, hier von einer Strategie zu sprechen. Zudem ist durch die Heeresreform des Marius die Qualität der Legionäre erheblich gesteigert worden.

[142] Vgl. A. BECKER 202.

[143] Tac. ann. XI 16f. Actumerus war der Schwiegervater des Flavus.

[144] Tac. ann. II 88,2.

[145] Tac. ann. II 10,1.

[146] Tac. ann. II 45,2.

[147] Tac. ann. II 88,2: regnum adfectans.

[148] Die ständigen Auseinandersetzungen innerhalb des cheruskischen Adels, auf die Tacitus immer wieder zu sprechen gekommen ist (Tac. ann. I 57-59; I 71,1; II 9-10; II 45,1; II 46,1; II 88,2), hatten  um 46/47 n. Chr. zu einer starken Dezimierung geführt. Die Behauptung, der Adel habe sich völlig ausgerottet (Tac. ann. XI 16,1), ist jedoch unwahrscheinlich, da die Gegner des Arminius-Neffen Italicus nur aus dem Adel gekommen sein können. Von dem alten Königsgeschlecht, dessen Macht bereits vor der Berührung mit den Römern vom Adel gebrochen sein mußte (stirps regia, aber keinen König mehr!), lebte 47 n. Chr. nur noch ein Vertreter, und das auch nur, weil er nicht im Heimatland war. Die Angabe des Tacitus kann sich m. E. daher nur auf die stirps regia beziehen.

Die Tatsache, daß Italicus vom Stamm oder einem Teil desselben als Herrscher gewünscht wurde, obwohl er den Cheruskern völlig unbekannt war, zeigt, daß bei den Cheruskern die Vorstellung von der Königsherrschaft und von der Bindung der Königswürde an eine Familie im Erbgang tief verwurzelt war (vgl. Tac. Germ. 7,1). Der Prozeß der Schwächung der Cherusker setzte sich in den folgenden Jahrzehnten fort (vgl. Tac. Germ. 36). Chariomerus, der der Sohn des von den Römern zu den Cheruskern gesandten Italicus gewesen sein dürfte, ist um 90 n. Chr. wegen seiner Freundschaft mit den Römern von den Chatten aus seinem Reich vertrieben worden (Cass. Dio LXVII 5,1). Chariomerus ist der letzte bekannte Cheruskerkönig. Danach ist auch von einem Cheruskerstamm nicht mehr die Rede.

[149] Römischer Einfluß ist auch beim Angrivarerwall und bei der Befestigung von Kneblinghausen erkennbar.

[150] Tac. ann. I 65, 5b: ingruentia tela.

[151] H. WOLFRAM, Die Germanen 43.

[152] H.-G. GUNDEL, Untersuchungen 41.

[153] Als Germanicus im Jahre 15 n. Chr. den Schauplatz der Varusschlacht besuchte, kämpfte Arminius gegen die bundesgenössische Kavallerie und die Auxiliarcohorten, zog sich aber vor den Legionen zurück. Im Jahre 16 n. Chr. griff Arminius erfolgreich die batavische Reiterei an, als sie die Weser durchschwommen hatte. Bei der Schlacht von Idistaviso griffen seine Cherusker nur die Kavalleriespitze, die Auxiliarcohorten und die Bogenschützen zu Fuß an, nicht aber die Legionsinfanterie. Auch in der Schlacht am Angrivarierwall hatte die Reiterei des Arminius Erfolg gegen die römische Kavallerie. Die Legionen selbst griff er nur dann an, wenn diese offensichtlich geschwächt waren: einmal, als die Truppe des Caecina mit Schanzen beschäftigt war, und dann, als die Legionen, die die Flankensicherung zu übernehmen hatten, ihren Platz verließen und verschreckt waren (H. v. PETRIKOVITS, BJb. 166 [1966] 186).

[154] Nachdem Germanicus im Jahr 16 n. Chr. die Weser überschritten hatte, ließ er ein Lager errichten. Als ein Spähtrupp des Arminius festgestellt hatte, daß das Lager bewacht war, verzichteten die Germanen auf einen Angriff. Arminius warnte auch vor einem Sturm auf das Caecinalager, aber sein Onkel Inguiomerus setzte seine entgegengesetzte Meinung durch. Der germanische Angriff auf das Lager geriet zu einem Fiasko.

[155] Cass. Dio LVI 18, 4-19, 4; Vell. II 118; Tac. ann. I 59, 1; II 13,2.

[156] H. v. PETRIKOVITS, BJb. 166 (1966) 186f.

[157] H.-G. GUNDEL, Untersuchungen 73f. Das starke römische Heer des Germanicus (8 Legionen) machte eine andere Kriegführung erforderlich als gegen Varus (3 Legionen). Im Jahre 9 n. Chr. war das Ziel die Vernichtung der römischen Streitkräfte durch einen strategischen Angriff.

[158] H.-G. GUNDEL, Untersuchungen 74.

[159] H. v. PETRIKOVITS, BJb. 166 (1966) 187.